CD Kritik Progressive Newsletter Nr.69 (07/2010)
Pain Of Salvation - Road Salt One
(51:23, InsideOut, 2010)
Total verliebt, enttäuscht, entliebt, wieder entflammt - liebestechnisch kann es auch zwischen Fans und Bands doch ziemlich auf und ab gehen. Beim Rezensenten und P.O.S. changierte das von der "ewigen" Lieblingsband zu Zeiten von "Remedy Lane" zu beharrlicher Skepsis über das verkopfte "Be", über Kopfschüttel-Krämpfe wegen dem teils wie absichtlich entstellt wirkenden "Scarsick" bis zur endgültigen Entliebung bei einem Live-Auftritt, bei dem Bandboss Daniel Gildenlöw Hunderte von Fans zum Spielball seiner derzeitigen Zickereien machte. "Endgültig"? Um im Bild zu bleiben: "Road Salt One" ist wie genialer Sex mit der Ex. Trotz der gutartigen EP "Linoleum" nichts wirklich Gutes erwartend, trotzdem man Enttäuschung vorzuahnen meint, umarmt einen das 2010er Album sanft, aber bestimmt. Sowie wissend und gekonnt. Solche Melodien gab es seit acht Jahren nicht mehr von Pain Of Salvation. Aber sie können es noch. Und Daniel kann immer noch singen wie kein Zweiter in der Progrock-Arena, was sowohl Technik wie Ausdruck anbegeht. Apropos: "Road Salt One" ist gar kein Prog im engeren Sinne, kann insofern auch theoretisch jedem Fan leidenschaftlicher Musik etwas geben. Denn dieser Salzstreuer enthält alles vom aufmachenden leidenschaftlichen Midtempo-Rocker "No way" über den beschwörenden Blues "She likes to hide" (den Daniel zum Soul potenziert) bis hin zur sich gewaltig und mit unsterblich schöner Melodie aufbauende Piano-/Strings-Ballade "Sisters". Das dramatische Orgel-Gospel "Of dust" stellt einen der vielen Höhepunkte dar. Gildenlöw schafft hier eine verloren-inbrünstige Atmosphäre, wie man sie sonst noch am ehesten bei David Eugene Edwards' Woven Hand-Experimenten findet. "Sleeping under the stars" ist wunderbar schräge Zirkusmusik, während "Darkness of mine" daran erinnert, dass P.O.S. eigentlich ja mal als ProgMetal gehandelt wurden... Und dann wäre da ja auch noch das von Fender Rhodes-Sounds dominierte Titelstück... Objektivität zum Teufel. "Road Salt One" ist das Salz der Erde. Mist, doch wieder verliebt!
Klaus Reckert
© Progressive Newsletter 2010