CD Kritik Progressive Newsletter Nr.50 (12/2004)

Neal Morse - One
(79:52, InsideOut, 2004)

Irgendwie sind immer die eingefleischten Prog-Freaks die Leidtragenden bei den gewissen Band-Splits, sei es z.B. Genesis - Peter Gabriel, Marillion - Fish oder VDGG - Peter Hammill und den daraus oftmals resultierenden musikalischen Neuorientierungen, wobei es dabei natürlich auch kleinere Lichtblicke gab, die ich auf keinen Fall unter den Tisch kehren möchte. Nun bei Spockïs Beard - Neal Morse befürchte ich, wird es genauso enden, auch wenn sie Ihren Stil noch einigermaßen treu geblieben sind. Die Qualität der gemeinsam eingespielten Meisteralben wie "The light", "Beware of darkness" und "V" wird jedoch wohl kaum mehr zu erreichen sein. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zu Letzt, also warten wirïs einfach mal ab! Bei der nun "neuen" Neal Morse Veröffentlichung gibt es gleich zu Anfang einige Pluspunkte. Zum einem fällt die Songlänge (zwei Tracks mit ca. 18 Minuten und drei Tracks mit jeweils ca. 10 Minuten Laufzeit) wohlgemerkt "echte" durchgespielte Longtracks, zum anderen und das ist noch viel wichtiger der musikalische Teil positiv auf. Denn es geht zumindest bei gut der Hälfte der Songs zurück in die Anfangszeit der Bärte, eben zum klassisch, druckvoll verspielten Prog Rock, genauso wie wir Ihn mögen. Hier und da schimmert zwar manch bekannte Passage und Ideen aus dieser genialen Zeit durch, aber das stört bei der soliden Gesamtqualität zumindest bei den stärksten Songs "Author of confusion", "The seperated man" und "Help me, The Spirit and the Flesh" keinesw egs. Vielleicht ist diese Entwicklung auf die nicht mehr ganz so offensichtlich und ausladende Orchestrierung gegenüber "Testimony" zurückzuführen, denn auf "One" liegt der Instrumenten-Schwerpunkt wieder mehr bei Neal Morse (Gesang, Keyb., Gitarre), Randy George (Bass) und Mike Portnoy (Schlagzeug), trotz der über ein Dutzend mitwirkenden Gastmusiker. Dadurch klingt vieles rocklastiger und nicht mehr ganz so überproduziert, da die Gitarre zugunsten von Streichern und Bläsern weiter in den Vordergrund gerückt ist, zudem sind auch manch überflüssige Längen so gut wie verschwunden. Ebenfalls lobenswert ist das abwechslungsreiche und mächtig druckvolle Schlagzeugspiel von Dream Theater-Mitglied Mike Portnoy der den Songs somit den letzten Schliff gibt. Doch wie schon angesprochen kann dieses Album meine Erwartungen nicht ganz erfüllen, da es eben auch den anderen Neal Morse gibt, der wieder songorientierter in Richtung Rock, Pop, Mainstream sowie in etwas schwülstige und süßliche Balladen abdriftet, wie es schon auf den Spockïs Beard Alben "Day for night", "Snow" und auf seinen Soloalben zu hören war und so wird dem Output die sonst gute Basis wieder etwas genommen. Geblieben ist ebenfalls ein religiöser Hintergrund der sich hinter diesem Konzeptalbum verbirgt, es geht im Prinzip über die Trennung von Gott und Mensch und die daraus resultierende Wiedervereinigung. Wie bei InsideOut ja fast schon üblich, wird "One" als reguläre Edition und als Special Edition im Digibook + Bonus CD erhältlich sein, auf dieser Zusatz CD befinden sich neben fünf Morse Stücke, vier Coversongs von "The Who", "U2", "George Harrison" und "Badfinger". Insgesamt hat für mich Neal Morse hier trotz des musikalischen Rückschritt ein Schritt nach vorne gemacht, auch wenn dies nicht für das komplette Album zutrifft, dafür ist die CD mit ca. 80 Minuten Spielzeit wieder randvoll gefüllt und somit lassen sich die Ausfälle durchaus verkraften. Bin mal gespannt was von seinen Ex-Band Kollegen nachkommt, dann ist vielleicht der Wert von "One" etwas besser einzuordnen.

Andreas Kiefer



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