CD Kritik Progressive Newsletter Nr.14 (04/1997)
Spock's Beard - Beware of darkness
(65:19, GEP, 1996)
Beim Barte des Propheten Spock! Endlich hat es nun das zweite Werk einer der amerikanischen Prog-Hoffnungen über den Teich zu uns ins good old Germany geschafft. Da sind die Erwartungen natürlich groß, und man geht als Kritiker an dieses Album zuerst mal mit der Frage im Hinterkopf heran, ob das hohe Niveau des Erstlings gehalten werden kann. Gleich das erste Lied, das Titellied der CD, lässt den emotionalen Zeiger meiner Zufriedenheitsskala stark ins Positive springen. Ein flottes, abwechslungsreiches, aber dennoch melodisches Lied mit "yes-igem" Anfang. Ganz wie auf der ersten Scheibe. Später setzen noch die von "The light" her bekannten Background-Sängerinnen Marke Stink Floyd ein. Was will man mehr? Das Stück ist übrigens eine Coverversion, und kommt im Original von ex-Beatle George Harisson. Die eingestreuten dissonant krächzenden Hammondtöne am Anfang von "Thoughts" (schon bekannt vom Livealbum) lassen einen dann erstmal aufhorchen, und auch der Rest dieses recht komplexen, v.a. beim Gesang Gentle Giant-mäßigen Stückes, zeigt, dass sich die musikalische Bandbreite des Quintetts noch erweitert hat. Zu den bisher vorherrschenden Einflüssen aus den 70ern in Form von Yes, Genesis oder King Crimson, hat sich bei "Walking on the wind" dann auch noch eine kleine Prise Jethro Tull gesellt. Das recht ruhige und eingängige, aber dennoch sehr schöne "The doorway" lässt einen dann auf 11 Minuten die melodischen Seiten der Band genießen, was sich im ca. 3-minütigen Akustikgitarrensolo "Chatauqau" quasi fortsetzt. Das erinnert natürlich schon etwas an die Solostückchen von Gitarrenvirtuose Steve Howe, nur fehlt es etwas an dessen Einfallsreichtum, daher hier nur das Urteil: ganz nett, aber nicht der Hammer. Die nächsten drei Stücke zeigen dann wieder die Qualitäten dieser Band auf, indem sie schöne, aber nicht billig klingende Melodien und hie und da etwas Bombast (siehe das dröhnende Mellotron-Ende von "Walking with the wind") mit komplexeren Teilen gekonnt mischen, und dem ganzen einen gewissen 70er-Touch verpassen. Das gelingt, von den Flower Kings mal abgesehen, kaum einer Prog-Band so gut wie den California Boys. Wobei man gerechterweise anmerken muss, dass es bei den Flower Kings noch etwas kompakter, und in sich geschlossener wirkt, d.h. man es dort noch mehr verstanden hat, aus den diversen Einflüssen einen eigenen Stil zu schmelzen, aus dem man die Einzelzutaten nicht mehr so leicht heraushören kann. Der 16-minütige Longtrack "Time has come" beschließt die CD, und ist praktisch "The water" (vom letzten Album) Teil II. Auch hier dieselben kurzen, schrägen Akkorde mit Wah-Wah-Gitarre und Hammond. Dies klingt beim Refrain, zusammen mit dem verzerrten "Durchs-Telefon-Gesang", wie die Beatles zu ihren besten LSD-Kiff-Zeiten. Mit dieser CD halten wir damit ganz klar die beste CD der Ausgabe, und wahrscheinlich auch des Jahres, in Händen. Damit konnten die fünf Freunde der Gesichtsbehaarung des spitzohrigen Vulkaniers also ihren Standard ganz klar halten, und lassen uns verzückt zurück.
El Supremo
© Progressive Newsletter 1997