CD Kritik Progressive Newsletter Nr.24 (03/1999)
Spock's Beard - Day for night
(68:38, InsideOut, 1999)
Auf den aller letzen Drücker haben wir diese neue Studio-CD der momentanen Shootings Stars der Prog.Szene noch bekommen. Ehrensache, dass man dann das Heft kurz noch warten lässt. Der Blick auf die Titelliste zeigt, dass man sich mehr in Richtung kurze Lieder orientiert. Waren bisher 10 und auch mal 20 min Lieder zu finden, gibt es auf dem neuen Werk ein 9 und zwei 7 min Lieder, der Rest pendelt hauptsächlich zwischen 3 und 4 min. Das macht den Hardcore-Proggy zwar stutzig, aber wie wir ja alle aus jahrelanger Erfahrung wissen, heißt viel verbratene Zeit noch lange nicht viel gute Musik. Der Opener "Day for night" zeigt dann gleich mal wieder, warum sich diese Band in letzter Zeit einer so stark wachsenden Beliebtheit erfreut. Ein an sich einfach gestrickter Track wird mit viel Schmackes, guter Melodie und einer Prise Komplexität zu einem kleinen Schmankerl. Dann in "Gibberish" wieder ein Dreh in Richtung Gentle Giant mit mehrstimmigem Gesang. Ein eher sperriger Titel. "Skin" tendiert dagegen wieder in Richtung des Openers, während "The distance to the sun", eine Ballade, von zweistimmigem Chorgesang und Akustikgitarre geprägt wird. Sehr schön, aber "June" vom letzten Album fand ich doch ergreifender. Bei "Crack in the big sky" wird auch etwas Jazz eingestreut (u.a. mit stakkatoartigen Saxophoneinsätzen) und auch der Komplexitätsfaktor nimmt zu. Hie und da duellieren sich die Hammond und die E-Gitarre, gefolgt von heimeligen Mellotron-Teppichen. "The gypsy" erinnert im Refrain dann wieder mal etwas an die guten alten Beatles, während sich dazwischen das Mellotron episch ausbreitet. Den Schluss bildet ein flotter Komplexteil, dass einem das Herz aufgeht. In den folgenden Liedern gibt es dann z.B. noch Streicher ("Can't get it wrong"), komplette Instrumentals ("The healing sound of colours") und wie üblich diese quäckenden, abgehackten Teile wie beim Anfang von "Thoughts" (in "My shoes"). Am Schluss bekommen wir Europäer mit dem Grunge-mäßigen "Hurt" sogar noch einen Bonustrack. Anfangs, muss ich sagen, war ich nicht ganz überzeugt von dieser neuen Scheibe, aber wie immer gewinnt sie mit jedem Hördurchgang. Denn erst nach x mal hören erschließen sich all die kleinen Perlen. Trotzdem vermisse ich etwas die langen epischen Stücke früherer Alben und es stellt sich so langsam eine gewisse Gewöhnung ein. Man kennt schon viele Sounds und auch manche Versatzstücke kommen einem sehr bekannt vor. Aber klar, keine Band kann auf jedem Album anders klingen und, Hand auf's Herz, wer will das eigentlich? Denn hat man mal endlich eine geniale Band gefunden, will man von deren Stil ja immer mehr hören. Damit haben wir im März schon wieder eine der Top-Scheiben des noch jungen Jahres gesehen.
El Supremo
© Progressive Newsletter 1999