CD Kritik Progressive Newsletter Nr.75 (07/2012)
Galahad - Battle scars
(57:44, Avalon Records, 2012)
Ich habe eine Neo Prog-Vergangenheit. Mein Einstieg in das Genre "Progressive Rock" erfolgte mit Marillion (oder war es doch Queen? - nevertheless...), es folgten Genesis, Floyd, Yes, Crimso und ELP. Oder eben Pendragon, IQ, It Bites, Pallas und Multi-Story (jawoll!). Bis Mitte der 90er habe ich fast nur so einen Kram gehört. "Songs from the lions cage" (Arena) war für mich das Beste seit geschnitten Brot. Spock's Beard war mir damals zu komplex... 1987 sah ich zufällig ein "Konzertplakat" in Christchurch. "Do you like the music of Genesis, Marillion and alikes? Tonight it's gonna be Galahad!"... In einem bestuhlten Kino fanden sich gefühlte 17 Leute ein und weinten unisono zu "Afterglow"... Those were the times. Ich mag Neo Prog nicht mehr... Zu viel, zu oft, zu gleich, zu ausrechenbar, zu öde... Ich möchte Pendragon abschaffen, empfinde IQ als solide, aber verwaltend. Pallas gibt ein ähnliches Bild ab und Arena gefallen sich dieser Tage in dumpfem AOR / Hard Rock... Ich liebe Galahad! Die haben weiland als Rush / Marillion-alike angefangen ("Nothing is written" - 1991), und dann haben sie sich freigeschwommen. "Sleepers" (1995) hatte schon etwas von Crimso goes NeoProg und dann wurde es unverschämt! Mit "Following ghost" (1998) fanden Ambient-Elemente Einzug in den Galahad-Sound und ich bin damals fast kirre geworden. Auf "Year Zero" (2002) hatte die Band ihre Hausaufgaben gemacht und ließ diesen seltsamen Sound flüssig wirken. Tekkno-Elemente, Ambient-Sounds, Hard Rock, Neo Prog... Eine seltsame Kombination, die perfekt funktionierte und ihren Höhepunkt in "Empires never last" (2006) fand. Macht die Band nun einen Fehler, wenn "Battle scars" wie ein Mix aus den beiden Vorgängern klingt? Nein! Galahad haben diese Selbstverständlichkeit kreiert und zelebrieren sie auf "Battle scars". Wenn man dieser Tage eine Neo Prog Band mit Attitüde hören möchte, dann muss man Galahad hören. Das ist nach wie vor gewöhnungsbedürftig und ziemlich anstrengend, weil die Combo schlichtweg stupide Rhythmen mit diesen klassischen (und auch schon wieder veralteten) Tekkno-Synthie-Flächen anbietet, dazu aber auch Bratpfannengitarren und abwechselungsreiche Longtracks. Das ist klassischer Neo Prog mit "quasi-modernen" Elementen. Schräg und fordernd. Faszinierend und eingängig - insofern man was mit vielteiligen Kompositionen anfangen kann. Stuart Nicholson (der kurz davor war Fish als Leadsänger von Marillion zu ersetzen - genau so lange ist das her...) singt im gesetzten Alter immer besser. Die Band macht immer mehr Druck und weiß inzwischen auch die mannigfaltige Erfahrung guter Studioarbeit einzusetzen. Deshalb gibt es als Bonus "Sleepers 2012". Der zentrale Track des gleichnamigen Albums in einer leicht überarbeiteten Form, aber (endlich) mit der nötigen Power um auch den letzten Skeptiker mitzureißen. Skepsis ist dennoch ein Stichwort. Ich persönlich erwarte von Galahad fortlaufende Entwicklungen. "Battle scars" bietet "nur" das beste von "Year Zero" und "Empires never last". Das ist verdammt gut und sollte als Empfehlung ausreichen. Trotzdem sind die Vorgänger origineller und auch besser. Dennoch; "Battle scars" kommt im überaus hübschen Digipack daher und wer Vinyl-affin ist, kann das Dingen auch als LP (+CD) bekommen, allerdings nur kurz. Limitiert ist diese Version auf 300 Stück. "Battle scars" ist ein gutklassiges, typisches Galahad-Album. Wer als Kenner auf "Sleepers" mit Kraft gewartet, hat muss das Album kaufen. Wer die beiden Vorgänger liebt, liegt hier nicht falsch. Wer Galahad anchecken will, darf auch zuschlagen. Wer Neo Prog und Tekkno hasst, muss Abstand von dieser Scheibe nehmen. Dringend! Ich bin nicht enthusiasmiert, aber extrem zufrieden.
Fix Sadler
© Progressive Newsletter 2012