CD Kritik Progressive Newsletter Nr.41 (09/2002)

Galahad - Year Zero
(56:05, Avalon Records, 2002)

Sommer 2002 - das Jahr und die Monate in denen es wieder mehr denn je en vogue zu sein scheint, Konzeptalben zu veröffentlichen. Inhaltlich gibt es dafür verschiedene Ansätze: Echolyn haben sich auf "Mei" an eine rockmusikalische Sinfonie mit nur einem Titel gewagt, Spock's Beard gehen auf "Snow" songorientierter vor, ordnen die einzelnen Titel einen Gesamtzusammenhang unter. Galahad wählten auf "Year Zero" inhaltlich den Mittelweg. Die etwas mehr als 56 Minuten sind in 14 logische Einheiten unterteilt, dennoch besteht das Album mehr aus sich ständig verändernder Musik, auch stilmäßig, denn aus klar abgrenzbaren, "traditionellen" Songs. Als Kurzzusammenfassung beantwortet der "Waschzettel" des bandeigenen Labels, weitere wichtige, zum Teil sehr selbstironische, Fragen zum Album: "Wir wissen ja dass es schon jede Menge Konzeptalben gab und gibt, aber bisher haben sich Galahad an so etwas noch nicht herangewagt" - "Welche Einflüsse sind auf dem Album zu hören?" "Rock in all seinen Formen, Prog natürlich, Jazz, Dance, Ambient, World, Klassik, choralartige Musik etc." - "Ist es ein Progressive Album im wahrsten Sinne des Wortes?" "Ja und nein, kommt auf die persönliche Einstellung ab, aber wenn kümmert das überhaupt!?" - "Irgendwelche Lieder über Hobbits, Gandalf, King Arthur, Brave New World oder 1984?" "Nein, nein, nein, nein und nochmals nein!!!" - "Letzte und wichtigste Frage: gibt es ein Mellotron zu hören?" "Natürlich!". Zur klanglichen Erweiterung wurden mehre Gastmusiker u.a. an Flöte, Saxophon, Trompete hinzugefügt, klassische Singstimmen machen ihre Aufwartung und John Wetton darf sein leicht abgesoffen klingendes Organ bei kurzen Gastauftritten, ebenfalls zu Gehör bringen. Alle vorherigen Aussagen spiegeln sich inhaltlich nicht nur in Worten, sondern in Taten auf "Year Zero" mehr oder weniger ausgeprägt wieder. Die bereits auf dem letzten Galahad Album "Following ghosts" auftretenden Ambient- und Dancesounds geben dem Album einen sehr modernen Anstrich, ohne dass dabei die Progwurzeln verleugnet werden. Schreien die einen "Verrat!", so klingt meiner Meinung nach, diese gesamtmusikalische Blutauffrischung sehr gelungen, denn beide anscheinend so gegensätzliche Stile ergänzen sich bei Galahad bestens. Nachteilig ist dabei nur zu bemerken, dass die teils sehr epischen Soundscapes / Klangreisen hier und da doch eine Spur zu langatmig ausgefallen sind, eine Straffung manchmal gut getan hätte. Andererseits sorgen sie so für die Ruhepole, die Eckpunkte in "Year Zero", welches danach immer wieder neu durchstarten kann. Zudem lotet die Band völlig neue musikalische Gebiete für sich aus, wobei die kurzen jazzigen Parts noch etwas verhalten, etwas aufgesetzt daherkommen, die choralen, klassischen Parts dafür um so mehr überzeugen. Am besten wirken Galahad immer dann, wenn sie sich in das gewohnte Prog Territorium zurückwagen, um mit mehr Drive, Bombast und Tiefe die einzelnen Parts voranzutreiben. Zusätzliche Elemente aus Härte und sparsamer, klassischer Instrumentierung sorgen für sorgsam ausgedachte Höhepunkte und wohlklingende Gegensätze. Während doch viele Band gerade aus dem Neo Prog Bereich, zu sehr auf Nummer Sicher gehen, haben sich Galahad von ihren Wurzeln gelöst, ohne auf sie zu verzichten. "Year Zero" ist ihr bisher konsequentestes Album, dem die verschiedenen musikalische Einflüsse unheimlich gut getan haben, auch wenn noch nicht immer jeder Ausflug 100%ig passt. Auf jeden Fall muss man der Band Mut und die Öffnung gegenüber neuen Ideen attestieren - das insgesamt gelungene Endresultat spricht für sich.

Kristian Selm



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