CD Kritik Progressive Newsletter Nr.74 (02/2012)
Gazpacho - London
(49:58 + 60:44, KScope, 2011)
Nach nur einem Studioalbum schon wieder ein Live Doppelalbum vorzulegen, erscheint im ersten Augenblick etwas eigenartig. Doch entstand die Veröffentlichung dieses Mitschnitts eher zufällig. Das Konzert in London wurde auf der letzten Tour von Gazpacho mitgeschnitten, landete im Tourbus, geriet in Vergessenheit und erst einige Monate später hörte sich die Band die Aufnahmen an. Man war derart begeistert, dass man sich letztendlich entschloss, den Auftritt in London offiziell herauszubringen. Trotzdem macht "London", gerade zwei Jahre nach "A night at the Loreley" irgendwie Sinn, auch wenn die Hälfte des Materials (u.a. ein Großteil vom 2009er Werk "Tick Tock") auf beiden Livealben enthalten ist. Ein großer Unterschied ist jedoch im Sound und im Umfeld des Livemitschnitts zu sehen. Während "A night at the Loreley" mit mehrmonatigem Vorlauf auf einer großen Bühne mit großem Publikumszuspruch entstand, ist "London" zuschauermäßig intim und überschaubar ausgefallen, vom Klang her wesentlich direkter, spontaner und rauer, vor allem vom Ballast befreit, dass hier alles perfekt für eine spätere Veröffentlichung sein muss. Nichtsdestotrotz müssen gewisse klangliche Abstriche gemacht werden, da etwas der dynamische Druck, die perfekte Austarierung aller Instrumente fehlt, mitunter die Liveatmosphäre etwas blechern daherkommt. Trotzdem beweisen sich die Norweger als ausgezeichnete Live Performer, auf dem aktuellen Livemitschnitt tut vor allem das mehr rockige Material von "Missa Atropis" dem Gesamteindruck sehr gut, da neben den atmosphärischen Passagen ein guter, mehr gitarrendominierter Gegenpol gefunden wurde. Im soundtechnischen Vergleich mit "A night at the Loreley" zieht "London" klar den Kürzeren, so dass bei diesem Album vor allem die Fans der Band zugreifen werden.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2012