CD Kritik Progressive Newsletter Nr.73 (11/2011)

Agents Of Mercy - The Black Forest
(56:05, Foxtrot Records, 2011)

Dass selbst ein alter Haudegen wie Roine Stolt etwas Zeit für die richtige Formel benötigt, erscheint auf den ersten Blick etwas unverständlich. Doch mit Agents Of Mercy wagte er letztendlich einen gewissen Neubeginn, welcher erst jetzt mit dem dritten Album seine Reife gefunden hat. Und vielleicht ist auch nur ein eigenartiger Zufall, dass es sich bei "The Black Forest" um das kürzeste Album seit langem handelt, er zusammen mit seinen neuen bzw. teilweise schon langjährigen Begleitern kein weiteres Doppelalbum bzw. eine CD an der Laufzeitkapazitätsgrenze aufnahm. Wenig überraschend ist zuerst einmal die Tatsache, dass auch das aktuelle Album der Schweden stilistisch wiederum auf typischen Retro Prog mit leichtem Improvisationseinfluss zurückgreift. Dennoch funktioniert hier (fast) alles wesentlich besser, was auf den Vorgängerwerken nur angedeutet wurde. Bereits das zweite Album "Dramarama" war ein erheblicher Fortschritt gegenüber dem etwas kraftlosen Debüt "The fading ghosts of twilight". Jedoch erst mit dieses Album erfüllt man die Versprechungen, die man von den vorläufigen(?) Nachfolgern der Flower Kings erwarten durfte. Wesentlich mehr Sinfonik in der richtigen Balance, wesentlich mehr Druck nach vorne und schon funktioniert alles besser. Sicherlich: die leicht nasale, etwas übertrieben wirkende Stimme von Frontmann Nad Sylvan ist nicht nach jedermanns Geschmack, wie auch das frickelige Keyboardspiel von Lalle Larsson hin und wieder das richtige Gefühl eines Tomas Bodin vermissen lässt. Dennoch ist "The Black Forest" das vielleicht am nächsten an die Flower Kings herankommende Album, das Agents Of Mercy veröffentlicht haben. Dabei stellt sich natürlich die berechtigte Frage, warum nicht gleich die Stammband reaktiviert wurde, aber das steht momentan wohl auf einem anderen Blatt. "The Black Forest" beinhaltet genau jene Art von Retro Prog, die auf seine Art funktioniert und überzeugen kann, während Agents Of Mercy auf den vorherigen Alben stellenweise noch etwas auf der Suche nach der eigenen Identität klangen. So bleibt schlichtweg festzuhalten, dass mit diesem Album Roine Stolt und seine Mitstreiter ihr bisher bestes Werk vorgelegt haben, auch wenn man immer noch nicht an die Klasse der Flower Kings heranreicht.

Kristian Selm



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