CD Kritik Progressive Newsletter Nr.70 (11/2010)
Agents Of Mercy - Dramarama
(71:26, Foxtrot Records, 2010)
Nachdem die Flower Kings aus diversen Gründen derzeit auf Eis liegen, sind Agents Of Mercy das Steckenpferd, auf das Roine Stolt aktuell setzt. Mit "The fading ghosts of twilight" legte er letztes Jahr das Debüt seiner aktuellen Band vor, das jedoch selbst bei eingefleischten Flower Kings Fans für ein recht gemischtes Echo sorgte. Doch vor allem die Doppelheadliner Tour Karmakanic / Agents Of Mercy offenbarte mit den gleichen Musikern, dass vor allem das Agents Of Mercy Material kompositorisch einige Lücken aufweist, dass Roine Stolt inhaltlich von seinen Bandkollegen virtuell überholt wurde. Gerade die aktuellen Soloalben von Tomas Bodin und Hasse Fröberg, aber vor allem Karmakanic, die Band von Jonas Reingold, beweisen, dass die Konkurrenz aus dem eigenen Lager inzwischen recht groß geworden ist. Mit "Dramarama" bekommen Agents Of Mercy eine zweite Chance. Der Opener "The Duke of sadness" ist ein sehr verheißungsvoller Neustart, da hier endlich wieder Ecken und Kanten und mehr inhaltlicher Schwung zu vernehmen sind, die sinfonische Magie zurückkehrt, die man auch von den Flower Kings kennt. Gerade dadurch, dass bei Agents Of Mercy einiges zu weich, zu wenig erinnerungswürdig wirkte, einfach der finale Funke nicht überspringen wollte, scheint bei diesem Track wie weggewischt. Zwar erfolgt im weiteren Verlauf des Albums wieder eine Rückkehr zu mehr elegischem, weniger aggressivem Material, doch ist wieder mehr Esprit, sind vielschichtigere Ansätze vorhanden als beim Vorgänger. Auf Longsongs wird dabei komplett verzichtet, alleine der Opener bringt es auf mehr als 9 Minuten, ansonsten ist der Ansatz songdienlicher, komprimierter, weit weniger auf ausgiebige Instrumentalteile konzentriert. Trotzdem setzt sich Roine Stolt mit einigen wunderbaren Gitarrensoli effektiv in Szene, sind auch die Keyboards solistisch präsenter, wirkt "Dramarama" insgesamt abwechslungsreicher und wesentlich spannender als der Vorgänger. Vielleicht ist es Meckern auf hohem Niveau oder auch einfach die Historie, die man im Hinterkopf hat, wenn man sich Agents Of Mercy anhört, denn dieses Album ist handwerklich souverän, kompositorisch ansprechend umgesetzt, aber auch dieses Mal fehlt einfach hier und da der allerletzte überzeugende Moment. Trotzdem ist "Dramarama" eine ordentliche Wahl, sofern man auf gut gemachten, melodischen Retro Prog mit deutlichen Beatles Anleihen steht. Doch irgendwie wünscht man sich endlich die Flower Kings zurück...
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2010