CD Kritik Progressive Newsletter Nr.65 (05/2009)
Agents Of Mercy - The fading ghosts of twilight
(77:50, Foxtrot Records, 2009)
Ich glaube, das darf man ruhig mal zugeben. Es ist ja nicht so, dass man sich hinsetzt und eine CD in den Player legt, diese sich anhört, und schon ist die Rezension im Kopf und geschrieben. Bei der ersten Besprechung mag das ja noch zutreffen. Danach wird es immer schwieriger. Nun ja, ich rede natürlich nur von mir. Die Kritik zur Agents of Mercy zu schreiben, fiel mir sehr schwer. Ich kannte überhaupt nichts von dieser Gruppe. Ich las auch nicht das Booklet oder das Backcover. Ich legte einfach nur die CD rein und hörte während der Büroarbeit die Musik. Was ich hörte, begeisterte mich. Ich dachte beim Song "The fading ghosts of twilight" einfach nur, dass, wenn das so weitergeht, ich hier einen Supersilberling höre. Und dann kam "The unwanted brother". Wahnsinn, beide Songs erinnerten mich an Genesis, Einschübe von den Beatles (The unwanted brother) und den Flower Kings. Der Gesang erinnerte mich an Andy Tillison. Auf jeden Fall begeisterte mich die Musik. Welch druckvolle Progmusik. Diese Scheibe wird ein voller Erfolg. Dachte ich. Denn so langsam wurde es schwächer. Irgendwann plätscherte die CD nur noch so vor sich dahin. Dann fing ich doch mal an, mich mit dem Booklet zu beschäftigen. Und dann die Überraschung. Produziert von Roine Stolt. In dieser Publikation brauche ich diesen Namen wohl nicht zu erklären. Mister Flower Kings himself. Roine spielt Gitarre, singt und manches Instrument mehr. Jonas Super-Bassist Reingold zupft den Viersaitigen. Zoltan Csörsz bearbeitet das Schlagwerk. Wau, fast die gesamten Flower Kings auf diesem Album. Der Sänger ist natürlich nicht Herr Tillison. Er heißt Nad Sylvan. Den Namen kannte ich, allerdings musste ich ihn mir ergoogeln. Er ist der Sänger von dem (legitimen) Genesiscoverableger Unifaun. Der Keyboarder Biggo Zelfries sagt mir nichts. Jimmy Keegan tauchte als Gastdrummer auf der Live CD von Spock's Beard auf. Pat Mastelotto schließlich spielt, spielte, bei vielen Bands mit. Allerdings sind mir alle völlig unbekannt. Jürgen Meurer war so nett und gab mir beim Korrekturlesen den Hinweis, dass er auch bei King Crimson spielte. Ich tue mich bei dem Verriss einer Roine Produktion natürlich mehr als schwer. Viele Kritiken gegen diesen Ausnahmemusiker konnte ich nie nachvollziehen. In diesem Fall aber muss ich doch mal nachfragen, ob Roine Stolt vielleicht demnächst wieder etwas weniger CD-Auswürfe bringt, die aber wieder auf hoher Qualität. So beschädigt man seinen Ruf. Spätestens ab dem fünften Song wird es langweilig. Musikalisch ist natürlich gar nichts an dieser CD auszusetzen. Auch die Aufnahme ist exzellent. Aber die CD ist zum Schluss nur noch ein Geplätscher. Vergleichbar mit einem kleinen Springbrunnen, welcher im gepflegten Rasen in einen kleinen Gartenteich fließt. Wenn man mal die vorangegangenen Alben von den Flower Kings vergisst und sich nur diesem Album widmet, kommt immer noch ein gutes Album heraus. Aber natürlich wünscht man sich etwas mehr von diesen Musikern. Von vielen meiner Prog-Mitstreiter wurde der Gesang kritisiert. Den finde ich zum Beispiel sehr gut. Mir gefällt die Stimme von Herrn Sylvan sehr gut für diese Musik. Der Nachname hat mit der gleichnamigen Progressive Rock-Band aus Hamburg übrigens nichts zu tun. Vielleicht hätte ein externer Produzent die Länge der CD, fast 80 Minuten Musik, gestutzt. Manchmal ist weniger mehr. Mit dieser Weisheit lasse ich den Hörer mit dieser Scheibe alleine.
Klaus Bornemann
© Progressive Newsletter 2009