CD Kritik Progressive Newsletter Nr.70 (11/2010)
Glass Hammer - If
(66:56, Sound Resource, 2010)
Dass Glass Hammer bisweilen etwas Neues ausprobieren, ist ihnen hoch anzurechnen. Andere Bands, die einmal ihre progressive Erfolgsformel gefunden haben, wiederholen sich mit gewissen Variationen einfach selbst, während das amerikanische Duo Steve Babb und Fred Schendel immer wieder Versuche unternimmt, aus dem eigenen Retro Sound Käfig auszubrechen. Dass die bisherigen Versuche, wie z.B. das folkige "Herr der Ringe" Werk "The Middle earth album" (2001) oder auch das letzte, wesentliche songorientiertere Rockalbum "Three cheers for the broken hearted" (2009) nicht auf die ganz große Begeisterung stießen, steht dabei auf einem anderen Blatt, aber immerhin hat man experimentiert. Tja, und was macht man deshalb logischerweise? Man kehrt zu dem zurück, was man augenscheinlich am besten beherrscht. "If" ist somit das Ende der Experimente und eine gnadenlose Rückkehr zum Retro Prog. Zumindest von den beteiligten Musikern ist es dann doch keine komplette Rückkehr, denn mit Sänger Jon Davison und Schlagzeuger Randall Williams sind gleich zwei Newcomer im derzeit auf Quartett Format geschrumpften Line-Up von Glass Hammer zu finden. Vor allem die neue Stimme erinnert bisweilen recht verdächtig an Jon Anderson, ohne ganz dessen Höhen zu erreichen. Damit ist schon mal eine Richtung vorgegeben, denn man wildert bei "If" ganz gehörig im Yes Kosmos, was einige Male sehr verdächtig nach Klon bzw. Plagiat klingt. Und ganz genau hier fängt das eigentliche Problem von "If" an. Glass Hammer geben auf ihrem aktuellen Album einfach zu viel von ihrer Identität auf und sind deshalb weit weniger eigenständig, als z.B. auf dem vorzüglichen "Chronometree" Album aus dem Jahre 2000. Natürlich ist die Musik immer noch qualitativ hochwertig, verstehen es Glass Hammer, auch eigene Nuancen einzubringen, ist hier nicht alles nur auf yessig getrimmt. Doch irgendwie wirkt "If" zu sehr nach kreativer Sackgasse, wie ein Album nach einer noch nicht abgeschlossenen Suche, denn nach einem bereits gefundenen neuen, finalen Ziel. Doch da man bei Glass Hammer in der gesamten Diskografie immer wieder für Wendungen bekannt war, ist von den Amerikanern sicherlich zukünftig immer noch etwas zu erwarten.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2010