CD Kritik Progressive Newsletter Nr.58 (02/2007)

Premiata Forneria Marconi - Stati di immaginazione
(46:12, Sony BMG, 2006)

Während andere Bands aus den 70ern meist nur noch von ihrer glorreichen Vergangenheit leben und oftmals mit ihren aktuellen Alben musikalisch nur laue Aufgüsse der ehemaligen Großtaten bieten, scheinen P.F.M. inzwischen den zweiten bzw. dritten Frühling zu erleben. Seit ihrer Reunion vor knapp 10 Jahren lieferten sie nach recht verhaltenem Start mit dem sehr unterdurchschnittlichen Werk "Ulisse" (1997) anschließend nicht nur zwei beeindruckende Livealben ab, sondern auch die letzten Studioalben konnten auf ihre Weise überzeugen. "Serendipity" (2000) war der gelungene Versuch mit neuzeitlichem Rock ohne Plattitüden, während das letzte Album "Dracula Opera Rock" (2005) bombastischen Sinfonic / Progressive Rock im leicht orchestralen Rahmen bot. Mit dem rein instrumentalen Konzeptwerk "Stati di immaginazione" geht es nun teilweise zurück zum Jazz Rock / Fusion, den die Italiener bereits in den 70ern auf dem Album "Jet lag" auslebten. Aber eben nur fast, denn der aktuelle Longplayer verbindet diesen Ansatz mit einer gehörigen, sehr prägnanten Prise Progressive Rock, leichtem Klassik Touch und eben typisch mediterranem Flair und Lockerheit, bei der selbst die balladenhaften, melodietrunkenen Töne keinesfalls pathetisch, schmalzig oder peinlich wirken, sondern echten emotionalen Tiefgang bieten. Man merkt der inzwischen auf Trioformat geschrumpften Band (Keyboarder Flavio Premoli ist auf diesem Album nicht mehr dabei) an, dass in ihnen immer noch das spielerische Feuer brennt, sie mit Leidenschaft und Spielwitz ihre Ideen umzusetzen und vor allem mit ausgiebigen, sehr leidenschaftlichen Soloparts anreichern. Natürlich wird hier nicht der Hammer der Komplexität ausgepackt bzw. nur an den Instrumenten, wie zuweilen in der Vergangenheit, gewirbelt, dennoch tut die leichte Zurückhaltung dem Album, trotz einiger zu kitschiger Momente, gut und andererseits gibt es immer noch genügend Dynamik und inhaltliche Abwechslung. Auf Keyboards braucht man trotz des Fehlens des etatmäßigen Tastendrückers übrigens dennoch nicht zu verzichten, denn mit Gästen an Tasten und vor allem Geige sind alle Klangfarben vorhanden, die man auch von den P.F.M. Klassikern aus der glorreichen Vergangenheit kennt. Inhaltlich unternehmen P.F.M. eine Reise durch mehrere Epochen und Kontinente. Ob nun die Visionen von Leonardo da Vinci, Archimedes oder Science Fiction Ansätze, die Schönheit der Wasserfälle von Agua Azul im Dschungel von Südmexiko an der Grenze zu Guatemala oder Impressionen vom Untergang von Venedig bzw. den Niederlanden um die Jahrhundertwende, immer wieder finden sich interessante Einfälle, elegische, euphorische Parts an Gitarre, Keyboards oder Violine, um die Musik vor dem inneren Auge zu visualisieren. Wie es sich bei diesem Konzept anbietet, gibt es die CD auch zusammen mit einer DVD, die mit Ausschnitten aus diversen Dokumentationsfilmen bzw. -animationen die Titel recht gelungen optisch umsetzt. "Stati di immaginazione" setzt auf seine Weise einen weiteren Meilenstein in der umfangreichen und nicht gerade ereignislosen Diskografie von P.F.M. Interessant auch die Beinote, dass dieses Album gänzlich ohne Overdubs oder Sequenzer auskommt, was die lebendige Atmosphäre eindrucksvoll unterstreicht. So agil und lebendig sich die Band hier präsentiert (als augenzwinkerndes Zitat zu den 70ern wird auch mal kurz "Promenade the puzzle" vom 73er Werk "Photos of ghosts" zitiert), scheint dies noch lange nicht das letzte Wort gewesen zu sein.

Kristian Selm



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