CD Kritik Progressive Newsletter Nr.54 (01/2006)

Premiata Forneria Marconi - Dracula (Opera Rock)
(55:40, Sony, 2005)

P.F.M. haben in ihrer langen Karriere schon einiges ausprobiert, ob nun Prog, Rock / Pop oder Folk, dennoch überrascht es etwas, dass sie nun nach mehr als 35 Jahren seit der Bandgründung auf einmal eine Rockoper vorlegen. Präsentierten sich die Italo Progger vor etwas mehr als fünf Jahren mit dem letzten Studiowerk "Serendipity" klangtechnisch aktualisiert und auf der Höhe der Zeit, so ist "Dracula" mehr eine Rückkehr zum sinfonischen Sound der 70er, ohne jedoch gänzlich auf moderne Elemente zu verzichten. Einerseits logisch, dass sie beim Werk über den Fürsten der Dunkelheit vermehrt auf voluminöse und düstere Sounds setzen, da es sich ja schließlich um eine blutsaugende Rockoper mit orchestraler Unterstützung handelt, andererseits war diese klangliche Rückkehr auf diese Weise nicht unbedingt zu erwarten. Dennoch ist "Dracula" natürlich keine Rückkehr zu den Großtaten der 70er, eher wird hier eine interessante, aber gelungene Gratwanderung zwischen dem Rocksound der 80er und den progressiven Anklängen der 70er begangen, angereichert um leicht opernhafte Momente. Gerade die klassischen Beiträge des Orchesters und des gelegentlich agierenden Chors sorgen für eine neue Klangfülle, ohne zu überladen die Musik zu ersticken. Vor allem gelingt es P.F.M., trotz überschäumendem, italienischen Pathos und typisch südländischer Emotionalität, völlig unpeinlich die Elemente aus Klassik, Rock und sinfonischer Musik harmonisch zu verbinden. Nur in wenigen Momenten gleiten die Lieder in überladene Rockoper-Interpretationen ab, über weite Strecken gelingt eine interessante Verschmelzung der verschiedenen Welten, was auch auf die eher retro-orientierten Sounds, schmachtende Augenblicke voll innerer Schönheit und geschmackvoll gestaltete Arrangements zurückzuführen ist. Auch wirken die Orchesterparts eher unterstützend, als dass hier mit zu viel Volumen die Leistungen der Band zukleistert wird. "Dracula" bietet damit in knapp einer Stunde Spielzeit P.F.M. in leicht neuen Gefilden, ohne die eigene Vergangenheit zu verleugnen und den Blick auf das musikalische Jetzt aus den Augen zu verlieren. Ein hörbarer Beweis, dass Premiata Forneria Marconi, neben den anderen ebenfalls noch aktiven 70er Italo Prog Acts Banco und Le Orme, auch nach dieser langen Existenz keineswegs zum alten Eisen zu rechnen sind.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2006