CD Kritik Progressive Newsletter Nr.55 (04/2006)

Sylvan - Posthumous silence
(70:09, Point Music, 2006)

Mit ihrem fünften Studioalbum legen Sylvan zum ersten mal ein rund 70-minütiges Konzeptwerk vor. Gab es auf den Vorgängeralben bereits einige konzeptionelle Ansätze bzw. war auf dem 2000er Werk "Encounters" bereits der 40-minütige, in zehn Teile aufgeteilte Titelsong ein Schritt in diese Richtung, ging man auf "Posthumous silence" letztendlich den entscheidenden Schritt weiter. Doch auch wenn die 15 Titel auf dem aktuellen Werk übergangslos ineinander übergehen, so bewahren, die einzelnen Titel mit Lauflängen von 2-9 Minuten ihre Eigenständigkeit, wirken sie aber letztendlich vor allem im Gesamtzusammenhang. "Posthumous silence" ist ein Album, das mit jedem Durchlauf mehr von seiner inneren Vielschichtigkeit offenbart. Sylvan ist es inzwischen gelungen, einen ganz eigenen, unverwechselbaren Sound und Stil zu kreieren, der zum einen durch den prägnanten und wandlungsfähigen Gesang vom charismatischen Frontmann Marco Glühmann begründet wird, aber auch im instrumentalen Bereich durch ein melodisches Grundkonzept, moderne Sounds und dem gekonnten Wechsel aus weichen und expressiven, mitunter recht heftigen Passagen besticht. "Posthumous silence" setzt konsequent den Weg vor allem der letzten beiden Studiowerke "Artificial paradise" und "X-rayed" fort, schafft es vor allem, durch seine verschiedenen Stimmungen nachhaltig zu fesseln. Doch trotz der unterschiedlichsten Teile und verschiedenen Stilmerkmale entsteht nie der Eindruck eines Flickenteppichs, einer willkürlichen Aneinanderreihung von einzelnen Ideen oder Fragmenten. Die Arrangements greifen stimmig ineinander, die wechselnde Dynamik aus Bombast und Fragilität wirkt wohl durchdacht aufeinander abgestimmt. So hat sich offensichtlich die lange Zeit, die die Hamburger Band in dieses Album von der Konzeption bis hin zur Produktion investierte, in mehrerer Hinsicht ausgezahlt. Ob es sich nun um die wunderbaren Melodielinien, die sich in den Gehörgängen festsetzen, oder die aufgrund des Konzepts leider etwas zurückgenommenen Soloparts handelt (einmal mehr stechen die gefühlvollen Gitarrensoli von Kay Söhl hervor), Sylvan gelingt eine ausgewogene Balance, die auch nach dem x-ten Durchlauf nichts von ihrer Kraft verliert. Dabei klingt "Posthumous silence" eben nicht nur zeitgemäß und lässt vor allem durch Loops, diverse Soundeffekte, sowie sachte klassische Untermalung einen ganz eigenen Klangkosmos entstehen, vielmehr hat diese Produktion hat schlichtweg internationales Niveau und braucht sich keineswegs vor der ausländischen Konkurrenz in irgendeiner Weise zu verstecken. Sylvan überzeugen dabei nicht nur als Einzelkönner, sondern in ihrer Gesamtheit als Band. Ende April / Anfang Mai sind sie übrigens auch wieder konzertmäßig unterwegs. Und da die Band live ihre Songs nochmals um eine Spur druckvoller herüberbringt, sollte man sich diese Möglichkeit keinesfalls entgehen lassen.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2006