CD Kritik Progressive Newsletter Nr.30 (05/2000)

Sylvan - Encounters
(54:01, Angular Records, 2000)

Eigentlich kann ich die Kritik so beginnen lassen, wie bereits Meister Meurer die Besprechung von "Deliverance", dem Debüt der Hamburger Band Sylvan, startete: "Endlich mal wieder ein Prog Album einer deutschen Band, das mir richtig gut gefällt." Der Nachfolger "Encounters" wirkt nach meinem Gusto noch eine Spur ausgereifter, erwachsener, mit genau all den Zugaben, aus denen ein gutes, abwechslungsreiches Neo Prog / Melodic Album besteht, wobei die Anleihen in härtere, rockigere, aber auch sinfonischere Richtungen fließend sind. Vom allem eben das Beste. Sylvan verstehen es auf ihrem aktuellen Longplayer äußerst geschickt, verschachtelte Arrangements in Richtungen zu führen, die manchmal überraschend, nicht immer vorhersehbar, aber dafür immer interessant bleiben. Manchmal wird in die Songs recht viel reingepackt, aber all dies, ohne dass sie überladen wirken. Da gibt es sogar Kurzausflüge in den Jazzbereich, wenn kurz mal das Saxophon stöhnt, doch kehrt das Quartett von der Waterkant immer wieder in gewohntes, überaus melodisches Fahrwasser zurück. Es fehlt weder an euphorischen Gitarrensoli, noch an prickelnden Keyboardläufen, die allesamt vom ausdrucksstarken Sänger Marco Glühmann zusammengehalten werden. Neben gewohnten Bombast, gesunder Härte, aber ebenso unbestreitbarer Balladentauglichkeit, sind es vor allem die einprägsamen Hooklines die "Encounters" sofort zugänglich machen. Dennoch findet man in den 12 Songs (u.a. mit dem zehnteiligen, über 40-minütigen Titelsong) immer wieder dramatische Wendungen, die das mehrmalige Anhören geradezu herausfordern. "Encounters" ist vor allem deshalb interessanter als andere Alben, weil es Sylvan gelungen ist neben Altbekanntem, moderne Sounds und die eigene Persönlichkeit einfließen zu lassen. Atmosphärische Passagen stehen so ganz selbstverständlich neben kernigen Riffs, es macht einfach wieder mal richtig Spaß sich auf dieses Musikerlebnis einzulassen. Sinfonikfreunde und die breite Neo Prog Front werden an diesem Album ihre Freude haben, und hoffentlich nicht nur die!

Kristian Selm



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