CD Kritik Progressive Newsletter Nr.48 (04/2004)
Sylvan - X-rayed
(68:57, Point Music, 2004)
Bereits auf dem sehr guten Vorgänger "Artifical paradise" schlugen Sylvan neue Töne an, begaben sich auf die Suche nach neuen musikalischen Entfaltungsmöglichkeiten, abseits ausgetrampelter Pfade. Die sorgsame Weiterentwicklung fand auch bei den Lesern in unserer kleinen Postille ihre Würdigung, denn das Album fand sich nicht zu Unrecht auf Platz 9 der Jahresumfrage 2002 wieder. "X-rayed" setzt nun noch ganz locker einen drauf. Nie fand man so viel Extreme in der Musik von Sylvan - sowohl gesanglich, von den Sounds, den unterschiedlichsten Stilmerkmalen, sowie den Stimmungen - dennoch gelingt den Hamburger ein geschicktes, harmonisches Austarierung zwischen neuen Einflüssen und bekannten Zutaten. Um niemanden zu verschrecken: Sylvan spielen immer noch hochmelodischen, songorientierten Progressive / Art Rock, jedoch öffnen sie sich auf dem aktuellen Output noch mehr für die unterschiedlichsten Einflüsse. Über "X-rayed" liegt oft eine traurige, melancholische Grundstimmung, die aber als Ausgleich von packenden Melodien positiv genährt wird. Ob nun geschickt in den Gesamtsound verwobene Loops und Samples, bisweilen heavy Gitarrenriffs, aggressiver Gesang oder auf der anderen Seite geradezu sphärische Klangexkursionen, euphorische Gitarrensoli bzw. ausladende Instrumentalteile, Sylvan erschaffen auf "X-rayed" jede Menge faszinierende Stimmungen. Immer wieder gipfeln diese in emotionalen Höhenflügen, gleichzeitig getragen von inhaltlicher Tiefe. Die Bandbreite reicht von sparsam arrangierten Balladen bis hin zu Up Tempo Rockern. Das Quintett aus dem hohen Norden schafft das, was nur wenigen Bands gelingt. Die guten, aber niemals flachen Melodien graben sich bereits beim ersten Anhören ins Gedächtnis ein, da sie aber in äußerst ansprechende, vielschichtige Arrangements gepackt wurden, macht das Anhören immer wieder aufs neue Spaß. "X-rayed" hat schon fast einen Suchfaktor, man möchte einfach noch mehr von dieser Musik. Und auch wenn sich Sylvan immer noch in der Tradition von Bands wie Marillion, Genesis oder Pink Floyd sehen, so sind ihre ursprünglichen musikalischen Wurzeln inzwischen so geschickt in einen prägnanten Gesamtsound integriert, dass sie lediglich kleine Teile eines großen harmonischen Puzzles sind. Die eigene Offenheit, der nicht nur zurück gerichtete Blick, führt letztendlich dazu, dass Sylvan zeitgemäß und aktuell klingen, sie keineswegs die übliche Angriffsfläche eines wiederkäuenden Plagiats anderer Prog-Dinosaurier bieten. Sylvan genügen mit "X-rayed" in jeglicher Hinsicht internationalen Standards, womit sie ihre Erfolgsgeschichte auch außerhalb Deutschlands fortsetzen dürften. Weiter so!
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2004