CD Kritik Progressive Newsletter Nr.55 (04/2006)
The Flower Kings - Paradox Hotel
(72:57 + 63:09, InsideOut, 2006)
Im Vorfeld der Veröffentlichung des aktuellen Flower Kings Albums geisterten mal wieder einige vielversprechende, aber wie immer mit Vorsicht zu genießende Ankündigungen des Ober-Blumenkönigs Roine Stolt durch den Raum. So sollte "Paradox Hotel" inhaltlich mehr eine Rückkehr zu den sinfonischen Wurzeln im Stil der Alben "Stardust we are" und "Flower Power" darstellen, wollte man sich wieder vom überwiegend geradlinigen Stil des letzten Werkes "Adam & Eve" verabschieden. Um es gleich vorweg zu nehmen: das randvolle Doppelalbum geht sicherlich in einigen Passagen in die Richtung der angesprochenen Alben und ist grundsätzlich mehr Retro ausgerichtet, aber dennoch ist "Paradox Hotel" keine Kopie, sondern hat sein spannendes Eigenleben. In mehrerer Hinsicht ging man auf diesem Album in den Details neue Wege. Das Album wurde im Kopenhagener Medley Studio fast komplett live eingespielt und in den folgenden Monaten in "Heimarbeit" nur noch marginal verfeinert, was sich vor allem in einem sehr organischen, weniger überladenen Sound niederschlägt. Neben Hauptsongschreiber Roine Stolt findet man außerdem dieses mal Beiträge von Tomas Bodin, Co-Produktionen der beiden, wie selbst Hasse Fröberg mit "Life will kill you" einen rockigen Titel beisteuerte und Jonas Reingold als Mitschreiber fungierte. Und vielleicht sorgt gerade diese Arbeitsteilung dafür, dass "Paradox Hotel" in der inhaltlichen Palette breiter gestreut ist, als man dies bisher gewohnt war. Während "Unfold the future" vermehrt auf moderaten Jazz Rock setzte, finden sich dieses mal vor allem auf der ersten CD sehr viel melancholische und ruhige Momente wieder, wird teils in recht sparsamen Arrangements einiges an inhaltlicher Tiefe herausgekitzelt, während die zweite CD mehr im rockigen Retro Bereich liegt. Einerseits bekommt man mit dem 21-minütigen "Monsters & men" gleich zu Beginn den typischen Sinfonic Bombast geboten und wird so auf eine vermeindlich falsche Fährte geführt, finden sich auch in Titeln wie "Hit me with a hit", "Minor giant steps", sowie dem mitsingkompatiblen "End on a high note" jede Menge Merkmale, die man inhaltlich von den Schweden kennt. Selbst mit einem gewissen Augenzwinkern wird in die eigene Vergangenheit geblickt (die Ping Pong Klänge vom Intro "Check in" gab es bereits als Einleitung auf "Retropolis"), wie ganz ungeniert die Fanfarensounds aus "Close to the edge" bei "Pioneers of aviation" ihre Verwendung finden. Andererseits sind die Nuancen eben etwas anders gelegt, denn vor allem bei den Tasten halten auf einmal mehr Pianoklänge, wie auch fette Orgelsounds, sowie Fender Rhodes ihren Einzug. Es müssen eben nicht immer nur die etwas klischeebehafteten Mellotronsalven sein. Was "Paradox Hotel" jedoch vor allem interessant macht, sind neben der inhaltlichen Vielschichtigkeit die neuen kompositorischen Ansätze, bei gleichzeitigem Verschlanken des Gesamtsounds. So ist "Bavarian skies" mit verfremdetem Gesang eine Art inhaltlich Fortsetzung von "A vampire's view", nur dass dieses mal die recht bekannte Hauptperson aus dem 3.Reich stammt. Mit den beiden Instrumentals "Pioneers of aviation" und "The unorthodox dancinglesson", sowie dem kirmesartigen "Lucy had a dream" huldigt man einerseits dem schwedischen Erbe von Bands wie Kaipa (in der 70er Version) oder Sammlas Mammas Manna bzw. bietet komplexen, aber melodiösen Bombast mit leicht zappaesken Tendenzen. Positiv macht sich zudem bemerkbar, dass dieses mal auch relativ kürzere Songs (im Bereich 5-8 Minuten) am Start sind, die in weniger Laufzeit alles auf den Punkt bringen, was einen guten Song auszeichnet. Weiterhin wird vor allem in den Gitarrensoli einmal mehr die gefühlvolle und emotionale Spielart von Roine Stolt - besonders gelungen in "Selfconsuming fire" und "Touch my heaven - in den Vordergrund gestellt. War "Adam & Eve" in seiner Gesamtheit nicht unbedingt auf meiner ganz persönlichen Wellenlinie, so ist "Paradox Hotel" wieder voll interessanter Ansätze, bei gleichzeitiger Rückbesinnung auf die Stärken der Flower Kings und kann vor allem nach diversen Hördurchläufen nachhaltig überzeugen.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2006