CD Kritik Progressive Newsletter Nr.52 (06/2005)
Gerard - Power of infinity
(42:10, Musea, 2005)
Es gibt mal wieder Neues aus dem Land der aufgehenden Sonne. Fast drei Jahre nach ihrem letzten Output "Sighs of the water" melden sich Toshio Egawa und seine beiden Rhythmusvasallen Atsushi Hasegawa und Masuhiro Goto mit "Power of infinity" zurück und knüpfen - wen mag es großartig wundern? - direkt an die Vorgänger an. Geboten wird also wieder der gewohnte, von Egawa-San mit seinem Keyboardarsenal dominierte Power-Prog, dessen gewaltige Keyboardsalven nicht nur einmal Assoziationen zu Lavaeruptionen oder Godzillas Flammenodem wecken. Anstatt also weiter in mehr oder weniger weit hergeholten Vergleichen von Gerards Musik mit japanischer Kultur und Natur zu schwelgen, nur um diese zu erläutern, will ich dafür lieber auf Rezensionen zu den vorigen Alben verweisen und mich auf die Neuerungen bzw. Unterschiede konzentrieren. Denn wenn sich auch nicht viel geändert hat, so ist doch die eine oder andere Neuerung durchaus markant. Am auffälligsten ist sicherlich, dass nach den weniger überzeugenden Gesangsversuchen durch Drummer Goto und japanische Gastsänger auf den letzten beiden Alben diesmal wieder eine Hilfskraft aus fernen Landen verpflichtet wurde. Das Mikrophon übernommen hat mit dem Italiener Alex Brunori von Leviathan, ein in Progkreisen nicht ganz Unbekannter, der offensichtlich bei den Aufnahmen zu Ars Novas "Biogenesis Project" von Hasegawa und Goto - die dort ja auch aushalfen - rekrutiert wurde (Nun ja, vielleicht war das alles auch ganz anders, aber wenn der Herr Brunori schon mal in Japan war; außerdem fabuliere ich gern mal in der Gegend herum...). Und tatsächlich weiß Brunori trotz leichten Akzents zu überzeugen. Er zeigt nämlich nicht nur wie der ehemals für Gerard tätige Robin Suchy, dass er singen kann, sondern scheint sich auch durchaus mit der Musik identifizieren zu können und wirkt daher nicht wie ersterer manchmal wie ein Fremdkörper. So kommt es, dass mit "Only the light" tatsächlich der erste Song seit der Neuformierung von Gerard Mitte der Neunziger vorliegt, dessen Vokalmelodie hängenbleibt. Nun hat mich persönlich die Abwesenheit solcher Hooklines vorher nie gestört - eine gelungene Abwechslung stellt es aber allemal dar. Gerade in diesem Song wird auch klar, dass die beim direkten Vorgänger vorhandene Tendenz zu etwas weniger überladener Hochgeschwindigkeitsmucke nicht bloßer Zufall war, setzt sich diese doch auf "Power of infinity fort. Nichtsdestotrotz ist es aber natürlich so, dass der Fokus der Musik weiterhin auf den instrumentalen Eskapaden vor allem von Mastermind Egawa liegt, obwohl auch der Rest der Band durchaus des öfteren mal heraushängen lässt, dass sie schon ziemliche "Chefs" an ihren Instrumenten sind. Wer also vorher gar nichts mit den Japanern anfangen konnte, der sollte auch bei "Power of infinity" vorsichtig sein und erstmal probehören - gerade die beiden Instrumentalstücke, das epische, mit orientalischen Einflüssen und Synthi-Sitar versehene "Caravan on the moon" und das dezente Erinnerungen an "Chaos" vom "Pandora's Box" -Album weckende "Warning! Warning!" (die übrigens auf der Musea-Version im Gegensatz zu meiner japanischen Auflage getauscht wurden), sind nämlich klassische Gerard-Keyboardbretter, die den Feinden breiter Keyboardwälle das kalte Schaudern bereiten dürften. Allen Gerard-Fans kann ich dagegen auch "Power of infinity" wärmstens empfehlen, da die Japaner ihren typischen Sound in gewohnter Qualität bieten und spätestens bei Egawas Hammond-Attacken in "Blue world" jegliche gehegten Zweifel beseitigt werden (obwohl ich es immer noch gerne sähe, wenn das Klangbild mal wieder durch eine Gitarre aufgepeppt würde...)
Dennis Egbers
© Progressive Newsletter 2005