CD Kritik Progressive Newsletter Nr.45 (08/2003)
Ars Nova - Biogenesis
(45:06, Transi, 2003)
Progressiver Rock aus Japan hat in hiesigen Fankreisen zwar einige wenige LiebhaberInnen, auf die Akzeptanz der breiten Masse (äh, falls man das in diesem Kontext mal so nennen will) ist er jedoch nie gestoßen. Das mag berechtigte Gründe haben - ich denke da z.B. an die erstaunliche Wechselwirkung von fleißigem Bestellen von Japanimporten und deprimierenden Girokontoständen -, an etwaiger mangelnder Qualität des Gebotenen kann es allerdings nur in seltenen Fällen liegen. Auch die eigentlich gar nicht mal so unbekannte Formation Ars Nova, die im Laufe der letzten Jahre ein paar wirklich empfehlenswerte Alben eingespielt hat und nun das Nachfolgewerk von "Android Domina" (2001) präsentiert, hat wohl mit dieser Art von Ignoranz zu kämpfen. Aber vielleicht ändert sich das ein wenig mit ihrem jetzt in Japan erschienenen Projekt "Biogenesis", dessen Thema das Schicksal der Menschheit zu Beginn des 24. Jahrhunderts ist und auf einer Geschichte von Numero Ueno - der im übrigen auch als Manager fungiert - basiert. Konzept, ick hör dir trapsen... Nun, bisher stand der Name Ars Nova für ein Frauentrio - was ein Novum in der langjährigen Geschichte des Genres Prog war-, aber nach dem Ausstieg von Akiko Takahashi (dr.) und Mika Nakajima (keyb.), die allerdings noch den einen oder anderen Beitrag zu "Biogenesis" leisteten, ist das Vergangenheit. Gründungsmitglied und Komponistin Keiko Kumagai, deren Art und Weise, ihre Armada von Tasteninstrumenten einzusetzen, an einen von Ecstasy getriebenen Keith Emerson erinnert, hat daraufhin ihre Kontakte genutzt und so eine stattliche Anzahl von renommierten Musikern zum Mittun bewegen können. Der holländische Gitarrist Arjen Anthony Lucassen ist ebenso am Start wie der Violinist Lucio Fabbri von PFM oder auch Gianni Leone, Sänger und Keyboarder der legendären Il Balletto Di Bronzo. Aber auch im eigenen Land hat sie Unterstützung erfahren, unter anderem von der Rhythmusfraktion von Gerard. Dieser ehrenwerten, aber ungewohnten Besetzung hat Keiko natürlich Rechnung getragen. Zumindest einige der Kompositionen orientieren sich an eher konventionelleren Songstrukturen, werden auch mal in ruhigere Bahnen gelenkt und sind einfach etwas eingängiger als das bisher von Ars Nova Gewohnte. Auch der erstaunlich häufig eingesetzte Gesang, der zum aller ersten Mal eine wirkliche Rolle spielt, passt in dieses Bild. Aber keine Bange, auch die Fans musikalischer Achterbahnfahrten kommen zu ihrem Recht. Eine Keiko Kumagai kann wahrscheinlich gar nicht anders, sie muss Kontraste schaffen. Der Bombast, die Tempoverschärfungen, die irrwitzig schnell hereinbrechenden Stimmungswechsel und die brachialen, manchmal geradezu gewalttätig wirkenden Instrumentalattacken sind mit ihr! Auch das skurrile Element darf nicht fehlen, so treffen in "Humanoidïs breakfast" Klassikzitate auf Cpt. Kirk und die Schlümpfe (Nein, ich bin nicht betrunken!). Das alles ist gekonnt ausbalanciert und ergibt unter dem Strich eine spannungsgeladene, fett produzierte Scheibe, die wirklich Spaß macht. Ach ja, in Zukunft wird - in anderer Besetzung - als Trio weitergearbeitet. Also: Ars Nova ist tot, es lebe Ars Nova! Anmerkung: die europäische Version erscheint kommenden Oktober bei Musea.
Michael Gruber
© Progressive Newsletter 2003