CD Kritik Progressive Newsletter Nr.51 (03/2005)

Satellite - Evening games
(74:32, Metal Mind, 2005)

Nach dem jähen Ende von Collage in den 90ern und dem jahrelangen musikalischen Schweigen der beteiligten Musiker war "A street between sunrise und sunset" im Jahr 2003 von der Nachfolgeband Satellite ein willkommenes Quasi-Comeback. Diesmal musste man nur knapp 1 ½ Jahre auf ein weiteres, neues Lebenszeichen aus Polen warten, welches nun mit "Evening games" vorliegt. Wie beim Vorgänger, wird auch beim Nachfolger ein Freudenfest für die Fans des hochmelodischen Neo Progs zelebriert. Die Gründe dafür sind schnell aufgezählt: im Gegensatz zu vielen anderen Neo Prog Bands, die beharrlich in den 80ern stehen geblieben sind, wird bei Satellite zuweilen mit modernen Sounds und Loops gearbeitet, ohne dabei jedoch gänzlich die Ursprünge ihres Stils zu verleugnen. So klingt auch "Evening games" gleichzeitig altbekannt, wie auch frisch und aktuell, wirkt dennoch nicht nur wie das ewige Herumrühren und mehrmalige Aufkochen in der langsam schal werdenden 80s Neo Prog Suppe. Weiterer Pluspunkt im Vergleich zur Konkurrenz: die Musik der polnischen Formation ist trotz aller Eingängig- und Melodieseligkeit keineswegs sofort durchschaubar, überrascht auch nach mehrmaligem Anhören durch interessante Wendungen und detailverliebte Arrangements. Dafür neigt man gerne dazu, die inhaltlichen Details noch etwas mehr auszuschmücken. So sind die Melodien bisweilen hymnischer, der Bombast noch eine Spur kraftvoller, wirken die Gitarren- und Keyboardsoli etwas verspielter und ausufernder, woraus man bei kritischer Sichtweise der Band natürlich auch einen Strick drehen kann. Als Kontrast dazu greifen die Polen dafür hin und wieder auf mehr folkmusikalische Schlichtheit sowie popmusikalische Griffigkeit zurück. Jedoch wirkt dies bei Satellite niemals zu aalglatt, auch wenn dieser stilistische Drahtseilakt bisweilen sehr gewagt erscheint. Was herauskommt, wenn man sich zu weit vorwagt, mussten Collage mit ihrem eher misslungenen Pop / Prog Album "Safe" bereits am eigenen Leibe erfahren, wahrscheinlich ist die Balance bei Satellite deswegen um einiges ausgewogener geraten. Ob nun gewollt oder geschickt beabsichtigt: man hat bei Satellite nie den Eindruck, dass die Band um Mastermind und Schlagzeuger Wojtek Szardkowski berechnend oder auf den breiten Erfolg schielt, ihre neo-progressive Umsetzung wirkt immer authentisch und niemals aufgesetzt. Wahrscheinlich genau deshalb kommt "Evening games" so sympathisch und erfrischend daher, nimmt man auch gerne ein paar Längen in diesem über 70-minütigen Konzeptwerk in Kauf. Dies mal bei Seite gelassen, alles in allem ein wirklich überzeugendes Genrealbum.

Kristian Selm



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