CD Kritik Progressive Newsletter Nr.48 (04/2004)
Minimum Vital - Atlas
(49:36, Musea, 2004)
Lange war es still um einer der bekanntesten aktuellen französischen Progressive Bands der Neuzeit geworden. Das letzte Studioalbum "Esprit d'amor" erschien bereits 1997 und seit dem 99er Livealbum "Au cercle de pierre" machten die beiden Payssan Brüder nur noch als Vital Duo im Alleingang von sich reden. Doch jetzt gibt es endlich wieder ein vitales Lebenszeichen, von jener Band, der es wohl wie keiner anderen gelingt, Musik aus mehreren Jahrhunderten mit gesanglichem Esperanto locker und spielerisch zu verbinden. Trotz langer Wartezeit findet man auf "Atlas" zum Glück an vielen Stellen diese federleichte Eleganz wieder, die so typisch für die Band ist. Die Faszination der Musik von Minimum Vital fußt vor allem auf zwei Elementen. Da wären zum einen die beiden ausgezeichneten Sänger/-innen Sonia Nedelec und Jean-Baptiste Ferracci, die mal alleine, mal zusammen die stimmliche Führungsrolle übernehmen. Wenn sich inzwischen auch stellenweise ein paar Textpassagen in sinnvollem französisch und englisch wiederfinden, so ist der Gesang meist lautmalerisch und imaginär gestaltet. Man meint hier verschiedene Sprachen zu hören, wobei die Stimmen als weiteres Instrument eingesetzt werden, fließend mit Gitarre und Keyboards die solistische Führungsrolle übernehmen. Ein weiteres prägnantes Element ist das stets hochmelodische Zusammenspiel von Gitarrist Jean-Luc Payssan mit seinem Bruders Thierry an den Keyboards. Die beiden Hauptkomponisten verbinden nicht nur Prog, Folk, Jazz Rock und mittelalterliche Klänge unangestrengt locker miteinander, sie haben zudem einen ganz eigenen, typischen Sound erschaffen, der einen relativ einfach etwas als Minimum Vital Komposition erkennen lässt. "Atlas" ist im Vergleich zu anderen Werken insgesamt schwungvoller, lebendiger gestaltet, vieles pulsiert im oberen Bereich der Mid-Tempo Skala. Vor allem die Dialoge der beiden Führungsinstrumente erstrahlen lebendiger denn je. Da stört es auch nicht, dass vor allem der Gitarrensound dieses mal einige Male deutlich an Mike Oldfield erinnert. Vielleicht mag manchem Hörer, die Musik von Minimum Vital nicht tiefgründig genug sein, scheinbar oberflächlich erscheinen. Doch arbeiten die Franzosen mit mehr subtileren Mitteln, wo Wendungen und komplexe Läufe harmonisch in flüssig dahinschwimmende Songs eingewoben wurden. Minimum Vital erfinden nichts neu, sie haben aber ihre ganz eigene progressive Nische gefunden, die vor allem ein überaus positives Lebensgefühl ausstrahlt. Wunderbare Musik für den Frühling.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2004