CD Kritik Progressive Newsletter Nr.46 (10/2003)
Tiamat - Prey
(55:24, Century Media, 2003)
Mit "Wildhoney" gelang Tiamat vor rund 9 Jahren der Durchbruch und das Album mit den epischen, getragenen Elementen, die bisweilen sogar Erinnerungen an Pink Floyd weckten, sorgten auch bei den Proggies für Aufmerksamkeit. Doch Johan Edlund, das treibende Element hinter der schwedischen Band, ist ein musikalisches Chamäleon und richtet sein Verständnis nicht nach irgendwelchen Logiken und Trends aus. So wurde auf dem Nachfolger "A deeper kind of slumber" die atmosphärische Ausprägung weitergeführt, auf "Skeleton skeletron" kam dann verstärkter Rockeinfluss zurück, mit dem an Sisters Of Mercy erinnernden "Brighter than the sun" hatte man sogar einen veritablen Hit und diverse Videoeinsätze bei den einschlägigen Musikkanälen. "Prey" das aktuelle Werk, ist nun weder eine Rückkehr zu den "Wildhoney" Zeiten, noch geht es rein im gerade wieder mal so trendigen, rockigeren Gothic Bereich zur Sache (man denke nur an die überraschende Chartefolge von Within Temptation). Das Album schwankt vielmehr zwischen flotteren Nummern und vor allem langsam kriechenden, mehr atmosphärischen, bombastischen Stücken. Zusammengehalten werden Edlunds Einfälle durch fragile, introvertierte Sequenzen, sowie einen gewaltig hohen Anteil an ergreifenden, melodischen und sogleich einprägsamen Ideen. Doch ist dies kein Schielen auf einen möglichen Singlehit, sondern für ihn die wohl derzeit passendste Möglichkeit, die Gefühle und Stimmungen des eigenen Innenlebens zu transportieren. Die düstere Grundstimmung sorgt für die rechte Tiefe, schleppende Gitarrenriffs, sogar einige packende Gitarrensoli und das tiefe, angenehme Brummelorgan von Edlund zollen dem Gothic Metal Genre Tribut. Vor allem beeindruckend die sorgsam ausgebreitete Atmosphäre, die dem Album wie ein roter Faden durchzieht. Doch beim das Album abschließenden "The pentagram" gibt's dann die doppelte Überraschung. Zum einen basiert der Titel auf einem Gedicht des Satanisten Aleister Crowley, welches von seiner Sekte Templi Orientes zur Vertonung freigegeben wurde. Der provozierende Inhalt wurde mit langsamen Klängen untermalt, die wieder einmal mehr sehr stark an floydsche Einflüsse erinnern ("Shine on you crazy diamond" lässt grüßen), diese jedoch in träger, typischer Gothic Manier umsetzen. Das siebte Album von Tiamat ist zwar kein Meilenstein wie "Wildhoney", ein prima übergreifendes Gothic Rock Album ist es zweifelsohne.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2003