CD Kritik Progressive Newsletter Nr.15 (06/1997)

Tiamat - A deeper kind of slumber
(60:05, Century Media, 1997)

Bereits mit ihrem letzten Album "Wildhoney" haben sich Tiamat von ihrem Death Metal-Ursprung gelöst und mit ihrer stimmungsvollen Musik, die manchmal entfernt an Pink Floyd erinnert, auch im progressiven Hörerkreis für Furore gesorgt. "A deeper kind of slumber" macht da weiter, wo die Schweden mit "Wildhoney" aufgehört haben: kein Gegrunze, dafür dunkle, schwere Klänge, die aber in ihrer Intensität absolut begeistern können. Weder werden hier die Saiten überstrapaziert, noch Tempo gebolzt. Tiamat haben in ihrer Mischung aus fast schon positivem Death Metal, etwas Industrial und Gothic, sowie weltmusikalischen Anleihen einen Stilmix entwickelt, der mit sehr viel Atmosphäre und nordischer Traurigkeit Stimmungen greifbar werden lässt. Eingehüllt in ausufernden Keyboardflächen, untermalt von schleppenden Rhythmen, flüstert und spricht Johan Edlund mehr in langgedehnten Silben, als dass er singt. In differenzierten Gefühlsebenen erschließt "A deeper kind of slumber" Hörerlebnisse, die sich sehr weit vom eigentlichen Metal-Ursprung entfernen, auch wenn man in kurzen, intensiven Passagen, beherzt auf krachendes Gitarrengequäle (z.B. "Alteration X 10") zurückgreift. Doch gerade die genreuntypischen Ausflüge haben Tiamat zu einem überaus interessanten Quartett reifen lassen. Melodie, Gefühl und Klangerlebnis stehen im Vordergrund, und nicht das sinnlose Dreschen von Akkorden in völliger Zusammenhanglosigkeit. Deswegen gibt es auf den rund 60 Minuten auch fast kein Solo zu hören. Die Gitarre wird in weiten Strecken nicht verzerrt gespielt, sondern sie reproduziert schwebende Klänge. Wenn sie aber mal ran darf, wie z.B. sehr floydisch bei "Only in my tears it lasts", dann setzt sie gleich einen solistischen Höhepunkt. Die gelegentliche instrumentale Ergänzung durch Violine, Cello, Oboe ("Kite") oder indisch abgedreht mit Flöte, Sitar und weiblichem Gesang ("Four leary biscuits") erweitert den ausladenden Klangraum. Wie schon bei den Kollegen von Therion lohnt es sich auch diesmal wieder beim nächsten CD Kauf einen Blick in die Metal Abteilung zu riskieren.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1997