CD Kritik Progressive Newsletter Nr.43 (03/2003)

Premiata Forneria Marconi - Live in Japan 2002
(72:29 + 71:14, Sony Music, 2002)

Letztes Jahr spielte die italienische Proglegende P.F.M. zum ersten mal in Japan - ein guter Grund also gleich ein Doppelalbum vom Auftritt am 12.Mai im Club Città in Kawasaki herauszubringen. Einziger oberflächlicher Schönheitsfehler: bereits vor fünf Jahren veröffentlichte man ein Live Doppelalbum "www.pfmpfm.it", welches mit "Live in Japan 2002" recht viele Überschneidungen in der Titelauswahl hat, da die Italiener natürlich hauptsächlich auf ihre Klassiker aus den 70ern zurückgriffen. Doch dem entgegen steht das Argument, dass gleiche Titel bei P.F.M. nicht unbedingt gleiche Interpretation bedeutet, die Band auf "Live in Japan 2002" zudem komplett auf die mehr pop-rockigen Titel vom 97er Werk "Ulisse" verzichtet. Hier und da ein neues Intro dazugepackt, instrumentale Ausschmückungen hinzugefügt, sowie mit Lucio Fabbri u.a. an der Violine eine neue Klangfarbe, stilistisch Klassik und Jazz Rock ergänzt, und schon erklingen die Titel, die zum Teil fast 30 Jahre auf dem Buckel haben, runderneuert, frisch, anders, aber immer noch auf dem Original fußend. Als zweites Sahnestückchen bekommt man zudem noch zwei bisher unveröffentlichte Studiotitel dazu, die im September letzten Jahres in heimischen Mailand aufgenommen wurden. Während sich "Bandiera bianca" eher als eine normale Rocknummer südländischer Prägung darstellt, ist dass das Album eröffnende "Sea of memory" musikalisch wirklich ein Hammer. Nicht nur dass P.F.M. klingen, wie zu ihrer Blütezeit, als Sänger und Mitkomponisten hat man den ehemaligen Van der Graaf Generator Frontmann und seit Ewigkeiten auf Solopfaden wandelnden Peter Hammill als very special guest mit dabei. Und so wird aus dieser Zusammenarbeit eine gelungene, düstere VdGG / P.F.M. Kombination, die mal wieder eindrucksvoll beweist, dass man sich mit fortgeschrittenem Alter und den entsprechenden Einfällen keineswegs in die Rockerrente verabschieden muss. Anschließend folgt auf über 2 Stunden ein nicht nur musikalisch, sondern auch klanglich eindrucksvoller Gig, der vor allem auf die sinfonisch-progressiven Frühwerke, wie "Storia di un minuto" (1972), "Photos of ghosts" (1973) oder "L'isola di niente" (1974) vertraut, somit simpel als eine Art "Best of" Programm zu sehen ist. Der Band gelingt es dabei immer noch mit Leidenschaft, ungebremster Spielfreude und sehr viel Emotionalität ihre Musik regelrecht zu zelebrieren. In Nuancen wird noch einiges aus den schon so oft gespielten Songs herausgekitzelt, was hörbar den Eindruck vermittelt, dass P.F.M. ihre Musik weder respektlos behandeln, noch sie als notwendigen Ballast der Vergangenheit empfinden. Vom letzten Studioalbum "Serendipity" ist lediglich "La rivoluzione" vertreten, ansonsten geht es zum Großteil einfach zurück in die musikalisch selig-progressiven 70er, die keineswegs so verstaubt klingen, wie man dies aufgrund der inzwischen vergangenen Zeitspanne vermuten sollte. Perlender Bombast, folkloristische Feinzeichnungen, südländische Lebensfreude - dies sind nur ein Teil der unzureichenden Umschreibungen, die man für diese formidable Musik finden kann. Interessanterweise sind übrigens die Ansagen fast ausschließlich in italienisch, werden aber durch Fetzen aus japanisch und englisch zu einem seltsamen Sprachengemisch ergänzt. Wie der entsprechende Wein mit dem Alter immer besser wird und an Reife gewinnt, so hat man auch bei P.F.M. keineswegs den Eindruck, dass sie ihr Haltbarkeitsdatum schon überschritten haben. Feinster, allerbester Italo Prog, den man hoffentlich noch eine ganze Weile in dieser Qualität genießen darf.

Kristian Selm



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