CD Kritik Progressive Newsletter Nr.30 (05/2000)
Premiata Forneria Marconi - Storia di un minuto
(34:28, RCA, 1972)
Premiata Forneria Marconi - Per un amico
(34:08, RCA, 1972)
Premiata Forneria Marconi, später für nicht italophile Zungen zu PFM abgekürzt, sind ohne jeden Zweifel die bekannteste und erfolgreichste Prog-Formation aus dem Land, wo die Zitronen blühen gewesen (obwohl die Vergangenheitsform hier nicht ganz richtig ist, denn PFM hat sich ja unlängst wieder formiert). Ihre beiden stärksten Alben, "Storia di un minuto" (Geschichte einer Minute) und "Per un amico" (Für einen Freund) erschienen beide im Jahre 1972 - untrüglichen Anzeichen einer überschäumenden Kreativität. Es waren diese Alben, die PFM den Weg zum Emerson, Lake & Palmers Label "Manticore" ebneten, es waren Stücke dieser Alben, die flugs vom Hofdichter des Progs Pete Sinfield ins Englische übertragen wurden (wobei die Interpretation richtigerweise nicht wortgetreu waren, sich vielmehr frei an die Vorlagen anlehnten). Wie wundervoll, wie lyrisch, wie unverbraucht progressive Musik klang (damals nannte man es "Artrock", was wohl die Konzeption dieser Musik besser beschreibt) - und, trotz all der internationalen Klasse dieser Meilensteine des Progs, wie italienisch. PFMs Musik (und Poetik) greift (wie praktisch alle Bands der italienischen Szene) auf einen anderen Hintergrund als ihre angelsächsischen Kollegen zurück, einen typisch italienischen eben: eine melodiebewusste Musik, die dennoch Trivialität meisterlich vermeiden kann, eine per se schon musikalische Sprache, dazu die mannigfaltigen Verbindungen zwischen diesen Prog- Bands und der Speerspitze der italienischen Cantautori, denen die folkigen, manchmal ein wenig medieval anmutenden Einflüsse wohl entstammen. Nicht zufällig arbeitete PFM immer wieder als Backing Band für Leute wie Lucio Battisti oder Fabrizio De Andrè - eine beidseitig Früchte tragende Partnerschaft, die mehr Verbindendes, als Trennendes aufzeigt. Deutliche Unterschiede zu anderen Szenen also, die man der Musik immer anhört, mit Leichtigkeit gerade bei diesen beiden Perlen. Die Stücke von "Storia di un minuto" sind nahezu allesamt Klassiker des PFMschen Repertoires geworden: "Impressioni di Settembre", das zweisätzige "Dove...Quando..." und "La Carozza di Hans" haben auch heute, fast dreißig Jahre nach ihrer Entstehung noch nichts von ihrer Schönheit und Faszination verloren. Klangteppiche umweben den Zuhörer, verführen ihn regelrecht in eine andere Welt- wenn man jemals an der Wirkung von progressiver Musik gezweifelt hat, so kann dieses Album einen eines Besseren belehren. Es fehlen die kantigen, widerspenstigen Brechungen, die Musik, das Album, wirkt wie aus einem Guss - es ist musikalisch, nein, emotional ineinander verbunden. Auch "Per un amico" birgt diesen Genius in sich, auch hier Klassiker des Repertoires wie "Per un amico" oder "Generale", insgesamt vielleicht ein wenig akustischer als der unmittelbare Vorgänger, ist dieses Album auch ein Pflichtwerk des Genres. Doch, wer würde bei solch wundervoller Musik von Pflicht sprechen - die Alben sind ein wahres Vergnügen und mag der weitere Werdegang der Formation in mainstreamigere Gefilde nicht von allen Freunden der Band nachvollziehbar sein, "Storia di un minuto" und "Per un amico" sind wahrlich schon genug Meisterwerk für eine Band.
Sal Pichireddu
© Progressive Newsletter 2000