CD Kritik Progressive Newsletter Nr.41 (09/2002)
Magellan - Hundred year flood
(51:18, Magna Carta, 2002)
Dass Alben, bei denen Trent Gardner seine Finger im Spiel hat, für einen festen Termin angekündigt sind und dann doch verschoben werden, ist man von seinen letzten Projekten (Explorer's Club, Leonardo) bereits gewohnt. Der Mann hat einfach zu viel um die Ohren bzw. feilt eben sehr gerne an seinen Produktionen herum, bis sie für ihn perfekt klingen. So verhielt es sich mit dem vierten Magellan Album, der eigentlichen "Hauptband" von Gardner, nicht anders. Doch letztendlich konnte der 9.9.2002 als Veröffentlichungstermin von "Hundred year flood" via Roadrunner Records in Deutschland gehalten werden, die das Album mit Sätzen wie "es bietet poppige(!) Hymnen, psychedelische Songstrukturen und progressive Hardrock-Elemente" bewerben. Zuerst schwebt natürlich die bange Frage im Raum, ob sich die Arbeit an den vielen Side-Projekten wohl auf die Musik von Magellan auswirkt. Zum Großteil kann diese verneint werden, denn "Hundred year flood" klingt über weite Strecken wie ein typisches Magellan Album: mächtige, mehrstimmig übereinandergelegte Vokalharmonien, sowie kernige Härte und Komplexität mit wuchtigen Instrumentalparts an Gitarre und Keyboards. Dennoch erscheinen die Arrangements nicht mehr so extrem abgehackt, sondern fließender ineinanderübergehend. Zudem ist der für manche steril wirkende programmierte Drumsound der ersten beiden Alben, wie schon beim Vorgängeralbum "Test of wills" wiederum durch einen echten Schlagzeuger, in diesem Falle der Good Rats Drumer Joe Franco, abgelöst worden. Ebenfalls sind neben Trent (Gesang, Keyboards, Posaune) und Wayne Gardner (Gitarre, Bass) mit Ian Anderson, Tony Levin, Robert Berry und George Bellas namhafte Gastmusiker vertreten, die die musikalische Qualität nachhaltig beeinflussen. Inhaltlich ist "Hundred year flood" dem gemeinsamen Bruder Jack gewidmet ist, der 1966 im Vietnam Krieg ums Leben kam. In dem 34-minütigen, 13-teiligen Opener "The great goodnight" verarbeitet Trent Gardner seine ganz persönlichen Gedanken an Jack. Dies beginnt mit einem reinen Vokalteil, in dem das Wort "Brother" im Vordergrund steht, welches aber auch im weiteren Verlauf eine zentrale Rolle in den Texten übernimmt. Danach steigert sich der Track hart und bombastisch, um dazwischen immer wieder sinfonische, wie auch ruhige, besinnliche Parts einzustreuen und natürlich auch das obligatorische, jazzige Posaunensolo elegant unterzubringen. Das folgende "Family jewels" ist zu Beginn fast eine Solotrack von Ian Anderson, der einen Großteil dieses orchestral angelegten, leicht düsteren Instrumentaltitels prägt. Insgesamt wirkt dieses atmosphärische Stück mehr wie ein langgezogener Übergang, denn als ein richtiges Lied. Doch mit dem zehnminütigen "Brother's keeper" wird dagegen ein echter Kontrast gesetzt, denn dieser groovige, zugleich sehr heavy-lastige Titel sorgt zum Abschluss des Albums noch mal für die richtige, nötige Härte in leicht abgedrehter Manier.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2002