CD Kritik Progressive Newsletter Nr.40 (06/2002)
The 3rd And The Mortal - Memoirs
(50:34, Prophecy Productions, 2002)
Wie doch die Zeit vergeht. Fünf Jahre ist es bereits her, dass ich an einem kühlen Frühlingsabend The 3rd And The Mortal im Rahmen ihrer bisher einzigen Deutschlandtour live erleben durfte. Ein wirklich einmaliges, sehr intensives Konzerterlebnis. Zum damaligen Zeitpunkt hatte bereits die erste Sängerin Kari Rueslåtten die Band verlassen, um sich, trotz mit einer fantastischen Stimme ausgestattet, musikalisch folkig und elfenartig, leider völlig in die Bedeutungslosigkeit zu verabschieden. Doch ihre Nachfolgerin Ann-Mari Edvardsen war mehr als nur Ersatz. Mit einer durch Jazzmusik trainierten Stimme, bewies sie auch live ihre Klasse, gab der Musik eine ganz neue Dimension. The 3rd And The Mortal waren noch nie eine Band, die sich um irgendwelchen Trends oder Anpassungen an den Markt kümmerten. Bereits vor Bands wie The Gathering verbanden sie das Konzept von atmosphärischen Metal und Gothic Einschlag mit hohem weiblichen Gesang. Doch nach einer EP und dem ersten Longplayer "Tears laid in earth", entschied man sich für einen eigensinnigen Weg zwischen New Age, nordischer Folklore, Psychedelia und experimenteller Rockmusik mit jeder Menge Loops und eigenartigen Soundcollagen. Mit dem 97er Werk "In this room" hatte man für sich eine gelungene, wenn auch recht anstrengende Mischung aus Stimmungen und spannungsgeladen Arrangements gefunden, doch auf einmal verschwand die Gruppe völlig von der Bildfläche, Auflösungsgerüchte machten die Runde. So ist es doch einigermaßen überraschend, dass es anno 2002 auf einmal doch wieder ein Lebenszeichen von The 3rd And The Mortal gibt. Und getreu dem eigenen Motto der ständigen Veränderung, gibt man sich auch auf "Memoirs" musikalisch wiederum ganz anders, obwohl die auf Quartettgröße geschrumpfte Band immer noch mit den gleichen Musikern agiert und das Material dieses Longplayer über einen Zeitraum von vier Jahren entstand. Statt einer festen Sängerin, hat man dieses mal fünf verschiedene Stimmen (3 Sängerinnen, 2 Sänger) am Start. Stilistisch bewegt man sich trotz zwei Gitarristen, eher im Bereich von Soundscapes und stimmungsvollen Klanglandschaften - nicht umsonst sind Guitar treatments als Instrument angeführt - das Schlagzeug wird oft von synthetischen Beats und Loops abgelöst. Ganz ihrer eigenen Vorstellung folgend, umschreiben The 3rd And The Mortal ihren Stil als Musicnoir. "Memoirs" klingt von den Sounds her sehr modern, nicht nur einmal fühlt man sich an den Trip Hop von Bands wie Portishead und Massive Attack erinnert. Doch ebenso kommen Erinnerungen an die aktuellen Werke von David Bowie auf, selbst Anspielungen in die Gefilde von Björk sind zu erkennen und jazziger Einschlag verleiht der Musik so etwas wie eine lockere Baratmosphäre. Doch über alledem stehen die typisch düsteren The 3rd And The Mortal Stimmungen, die sich heutzutage aber wesentlich zugänglicher, songorientierter präsentieren. Die experimentelle Komponente wurde eindeutig der Komposition untergeordnet, was aber noch lange nicht heißen soll, dass hier massenkompatible Ware produziert wurde. Den Anspruch des Außergewöhnlichen bleiben sich die Norweger immer noch treu. Ein mutiger neuer Schritt in eine wieder mal völlig andere musikalische Richtung, mit dem sich die Band einem neuen Publikum öffnet, ihre alten Fans aber sicherlich vor einige Probleme stellen wird. Doch egal wie man es betrachtet, "Memoirs" ist ein unheimlich dichtes, fesselndes Album, das bei mir Hunger auf mehr macht.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2002