CD Kritik Progressive Newsletter Nr.40 (06/2002)
Simon Steensland - The Phantom of the Theatre
(70:19, UAE, 2002)
Simon Steensland macht es sich und uns nicht leicht. "Besides making records no one wants to listen to, I also compose and perform music for plays no one wants to watch. To those who wonït either, I sincerely dedicate these works!" 36 Songs in 70 Minuten - ehrlich gesagt bin ich froh, dass einige dieser abgefahrenen "Lieder" nur sehr kurz sind. Dennoch hat es das Album in sich. Diese Sammlung ist kein eigentliches Album wie "The zombie hunter" oder "Led circus", sondern eine avantgardistische Tour de Force. Stilistisch wandelt Simon Steensland, der wie gehabt fast alles allein macht, sich nur einige wenige MusikerInnen / SängerInnen für hier und da einlud, durch viele Bereiche der Musik. Mal ist ein Song folkloristisch inspiriert (die Überzahl), mal klingen wenige Rock-, einige Jazz- und immer wieder freitonale Einflüsse mit, transportiert in einer avantgardistischen Musiksprache, die sich bewusst abseits jeder Wege aufhält. Klagende, kreischende oder auch singende Stimmen, vielerlei Rhythmusinstrumente, übliche und unübliche Saiten- und Tasteninstrumente interpretieren die amelodischen bis harmonischen Stücke. Im Booklet ist aufgeführt, wovon Simon sich hat inspirieren lassen: da wird aus einem Western-Motiv ein klagender Schreigesang, von Mallets kunstvoll gesäumt. Der Mond ist aus Käse, brummt ein Basssolo. "The postcard", ein sentimentales Stück, von einem symphonischen Synthesizer, elektrischer Gitarre, plärrigem Xylophon und melancholischem Akkordeon meisterhaft illustriert. Clichés haben eine andere Sprache, Simon Steensland scheint mit seinen Gedanken und Vorstellungen von Musik eigenbrötlerisch weit weg von gut und böse zu sein. Seine Welt ist ein Zauberwald märchenhafter Figuren, der Lebenshauch freitonal, aber melodisch, lustig bis melancholisch, schräg, komisch, witzig, dann wieder nüchtern, verhalten, angriffslustig, aggressiv. Doch trotz aller Abartigkeit der Arrangements, aller abstruser Ideen und schier überfordernden Strukturen überrascht so mancher Song mit überrumpelnden Pointen, tiefsinnigen Bissigkeiten und fröhlichen Melodien. Auch wenn es schwer ist, diesem Avantgardisten und Freidenker lange zuzuhören, schenkt er dem Hörer doch eine Fülle melodischer Annehmlichkeiten, die so manches einfachere Album nicht zu bieten hat. Ich kenne keinen weiteren so sehr "schräg" orientierten Musiker, der so viele in sich verflochtene Strukturen, vielfältige Motive und schöngeistige Passagen bietet, die sich bei jedem weiteren Hören immer leichter erschließen und illuster von der Schönheit des Werkes berichten. Gewiss muss man dazu eine große Hürde nehmen - sich über den schwerfälligen ersten Eindruck hinwegarbeiten. Wer die Landschaft dahinter entdeckt, mag vielleicht aber nicht wieder zurück. Im übrigen - einen Film gibt es zur Musik nicht.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2002