CD Kritik Progressive Newsletter Nr.39 (03/2002)
Glass - No stragner to the skies
(44:37 + 56:16, Privatpressung, 2001)
Solche CDs sind die kleinen Erfolgserlebnisse beim Stöbern durchs Internet, auf der Suche nach noch völlig unbekannten Scheiben, nach noch unentdeckten Bands. Dabei muss es nicht immer um solch exotischen Länder wie z.B. Armenien (Artsruni im letzten Heft) oder Turkmenistan (Gunesh) gehen und die Musiker müssen auch nicht unbedingt die kirgisische Nationalhymne durch Blasrohre rückwärts pfeifen können, nein es kann auch ganz schlicht mal um eine Band aus den USA gehen, die einfach nur wunderbaren sinfonischen Progressive Rock, Marke 70er Jahre, spielen. Glass wurden in den frühen 70ern als rein instrumental agierendes Trio gegründet. Und, wie so viele Bands, erarbeiteten sie sich im alternativen Underground eine respektablen Ruf, indem sie sich musikalisch eindeutig von den britischen Progressive Rock Bands der ersten Stunde inspirieren ließen und zudem mit multimedialen Auftritten ebenfalls auf den Bühnen für Aufmerksamkeit sorgten. Nach acht Jahre ging man 1977 schließlich auseinander, da man einfach den Kampf gegen eine weitgreifende Akzeptanz ihrer Musik aufgegeben hatte. Doch das Wiederaufkeimen der Progressive Rock Bewegung, vor allem durch das Internet, führte schließlich dazu, dass die Band sich wieder reformierte und im Mai 2001 in Washington, genau in der selben Location wieder auftraten, wo sie vor rund 24 Jahren ihren letzten Liveauftritt hatten. "No stranger to the skies" umspannt nun auf einer Doppel CD die fast komplette Historie des amerikanischen Duos. Zu den zwischen 1973 bis 1977 aufgenommenen Songs, bekommt man in den Liner Notes jede Menge weitere ausgiebige Infos, die einem die einzelne Lieder auch in ihrer Entstehung und in den Gedanken der Musiker näher bringen. Wer auf richtig schöne alte Sounds aus den 70ern steht, ist bei dieser Scheibe genau richtig, denn hier bekommt man von allem etwas. Ob von Tastenwerk mit Mellotron, ARP Synthesizer, Fender Rhodes, Mini Moog, Hammond, Grand Piano oder wuchtiger Rickenbacker Bass bzw. Taurus Pedals - alles, da was das Herz begehrt. Doch wie sieht es nun mit der Musik aus? Trotz der Trio Besetzung Keyboards, Gitarre / Bass, Schlagzeug, handelt es sich nicht um den reinen, vermuteten ELP / The Nice Klone, auch wenn es inhaltlich manchmal sicherlich Parallelen gibt, sondern um eine sehr eigenständige Mischung, die mal aus feingliedrigen Klaviersequenzen besteht, mal mit der bombastischen Breitseite kommt. Über weite Strecken bleiben die sehr melodischen Exkursionen in einer inneren Ruhe verhaftet, die den Hörer nicht erschlägt oder sofort mitreißt, sondern in einlädt sich mit zurückhaltenden, auf wesentlich zurückgenommen Kompositionen auseinander zusetzen. So gibt es oft fast schon klassische Passagen, die genau dann, wenn man etwas Aufrüttelung aus der manchmal etwas zu langatmig erscheinenden Ruhe benötigt, immer wieder von der Elektronik durchsetzt werden. Glass sind nicht nur virtuose Wirbler an den Instrumenten - auch wenn sie es bei Bedarf mal eine Spur schwungvoller angehen können, vor allem auf der zweiten CD - es geht ihnen vielmehr darum, die Spannung und Atmosphäre ihrer rein instrumentalen Exkursionen aufrecht zu halten. Wer sich in den 70ern zu Hause fühlt, hat auf diesem Doppelalbum die Chance, Musik abseits der bekannten Bands neu zu entdecken.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2002