CD Kritik Progressive Newsletter Nr.38 (01/2002)

Hermetic Science - En route
(51:49, Magnetic Oblivion Records, 2001)

Ed Macan ist jemand, dem seine Tätigkeit als Professor an der Universität in Eureka in Kalifornien, ganz offensichtlich nicht genug als Lebensinhalt zu sein scheint. So hat er mit "Rocking the classics" - wurde ausführlich in PNL Nr.22 vorgestellt - nicht nur ein sehr interessantes und äußerst empfehlenswertes Buch über u.a. dem sozialen Hintergrund des Progressive Rocks veröffentlicht, sondern er arbeitet auch derzeit an einer Biografie von Emerson Lake und Palmer, die unter dem Titel "The endless enigma", noch ihrer Vollendung harrt. Doch damit immer noch nicht genug, seine andere Leidenschaft gehört der Musik als selbst aktiver Künstler. Mit seinem Bandprojekt Hermetic Sciene wurden bereits zwei Alben veröffentlicht, das nun vorliegende "En route", präsentiert wiederum ein andere Facette seine Trio Konzeptes. Stand das erste Album eindeutig unter dem großen Einfluss vom Zusammenspiel von Marimba und Schlagzeug, kamen auf dem zweiten Werk "Prophecies" vermehrt elektronische Tasteninstrumente hinzu, so ist er auf "En route" konsequent noch einen Schritt weiter gegangen. Mit allerlei antikem Instrumentarium (u.a. Arp String Ensemble, Micromoog, Hammond, Rhodes Piano) wirkt die Musik insgesamt härter, düsterer, massiver, im Klangspektrum wesentlich reichhaltiger orchestriert und vor allem deutlich elektronischer. Die Marimba darf zwar stellenweise noch mit ihrem ganz eigenen Sound für interessante Höreindrücke sorgen, doch inzwischen haben die Tasteninstrumente eindeutig die Vorherrschaft übernommen. Wie schon auf den Vorgängeralben gibt es dieses mal auch wieder eine Coverversion, mit der Klassikadaption "Mars, bringer of war" von Gustav Holst wird das Album mystisch dunkel eröffnet. Zwar können Ed Macan, sowie Jason Hoopes (Bass) und Matt McClimon (Schlagzeug) - bei anderen Titel auch noch Joe Nagy (Schlagzeug) - nicht die Dramatik und Dynamik der Versionen von King Crimson, Emerson Lake & Powell bzw. auch Anekdoten erreichen, aber auf seine Art hat auch diese Interpretation, die kälter und elektronischer klingt, ihren ganz eigenen Reiz. Die restlichen über 44 Minuten, bestreiten Hermetic Science mit der siebenteiligen Suite "En route". Klassisch inspiriert, sind es vor allem die angestaubten Sounds aus der Mottenkiste, die für eine hörenswerte Zeitreise sorgen, bei "Raga Hermeticum" geht es mit Blockflöte und Sitar auf den indischen Subkontinent. Das Album lebt neben seinen Sounds, von den wohl durchdachten Kompositionen, die detailverliebt arrangiert wurden. Dennoch hat das Album meiner Meinung nach einen Schwachpunkt: es fehlt an der rechten inhaltlichen Dynamik, an wirklich mitreißenden Passagen. Handwerklich gut gemacht, kompositorisch interessant gestaltet, fehlt den Ideen der rechte Überraschungsmoment, die eindringliche Wendung. So kann man sich prima durch das Album durchhören, wird aber nicht wachgerüttelt, da die entscheidenden Höhen, die Dynamikspitzen irgendwie fehlen. Man spürt und hört das offensichtliche Potenzial, doch werde ich den Gedanken nicht los, dass Hermetic Sciene sich hier unter Wert verkaufen und mehr Power, mehr Ausstrahlung, diesem Album gut getan hätte.

Kristian Selm



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