CD Kritik Progressive Newsletter Nr.9 (06/1996)

Providence - There was once a night of "choko-muro" the paradise
(53:01, Made in Japan, 1996)

In allen Ländern in denen Prog "hergestellt" wird, ist erfahrungsgemäß nur ein sehr kleiner Teil wirklich brauchbare Musik. In wenigen Ländern ist dieser Anteil hoch (U.S.A., Skandinavien), in den meisten Durchschnitt und in manchen auch verschwindend gering (Holland, Brasilien und leider auch Deutschland). Die Japaner gehören dabei wohl zum (besseren) Durchschnitt, und da im letzen Newsletter leider nur der Totalausfall "Takami" dabei war, nun endlich mal wider was Gutes aus dem fernen Osten. Bei Providence handelt es sich um eine fünfköpfige Prog Band in "klassischer" Besetzung, will heißen, es sind außer einem Tenor Saxophon in einem Lied keine außergewöhnlichen Klangkörper vertreten. Fangen wir mal bei den eher mauerblümchen-mäßigen Instrumenten an. Der Bass und das Schlagzeug liefen eine gute, aber eher unauffällige Arbeit ab. Um es mit einem von Kollege Kristians Lieblingsausdrücken zu sagen, "es bleibt songdienlich im Hintergrund". Die Gitarre und die Keyboards gönnen sich da schon eher mal ein Solo, insgesamt ist die Musik aber weniger sologeprägt als in anderen vergleichbaren Gruppen. Die Gitarre, fast ausschließlich E-Gitarre, wird oft recht rockig gespielt, was dem Ganzen ein gesundes Maß an Schmackes mitgibt (aber nicht so viel wie bei den Landsleuten Vienna). Ums gleich klarzustellen, kein Prog Metal weit und breit! Die Keyboards liefern das bombastische Grundgerüst, das aber nicht nur im Sinne von Soundteppichen zu verstehen ist. Der Klimpermensch macht seine Sache sehr gut, denn obwohl bei Providence wie gesagt keine minutenlangen Soloeskapaden zelebriert werden, kann er in der laufenden Spielzeit doch sein Können zeigen. Schließlich die Sängerin, die in ihrer Heimatsprache wirklich mal die rühmliche Ausnahme bei den japanischen Chanteusen ausmacht. Muss man da meist undifferenziertes, zu hohes Gejaule ertragen, macht sie ihre Sache sehr gut. Somit stören auch die japanischen Texte nicht, da alles stimmig und passend wirkt. Die Lieder, davon immerhin zwei lange Stücke, sind gut durchstrukturiert und wirken somit nicht langweilig. Die Longsongs sind keine aufgeblasenen 2- Minuten-Ideen, sondern die besten Stücke auf dem Album. Was allerdings erstaunt, ist die Aufteilung der CD, denn den zwei Stücken um 19 bzw. 10 Minuten stehen am Ende der Scheibe drei Stückchen mit jeweils maximal ca. zwei Minuten gegenüber. Diese ruhigen, abgespeckten, meist klavierbetonten Häppchen sind meiner Meinung nach dann auch belanglos und hätten ruhig weggelassen werden können. Dieser Veröffentlichung einen Stilstempel aufzudrücken ist schwierig. Nicht weil es so komplex oder abgedreht wäre, sondern weil es theoretisch dem Neo Prog zuzuordnen wäre. Da diese Bezeichnung leider mittlerweile schon zum Schimpfwort geworden ist, tue ich das auch nur widerwillig, denn die Grundelemente finden sich zwar auch hier wieder, aber die Gruppe füllt diese Stilhülse viel besser und interessanter aus, als die meisten europäischen Kapellen, wie z.B. Pendragon. Ähnlich war es ja auch im PNL Nr.6 mit Minimum Vital, die für das Prädikat Neo Prog eigentlich auch zu schade sind. Letztendlich also guter moderner Prog, nicht extravagant, nicht ausgeflippt, aber alle Einzelkomponenten sind o.k., somit insgesamt stimmig und fast uneingeschränkt zu empfehlen. Die drei Ministücke weggerechnet beleiben immer noch 46½ Minuten Prog über dem Normaldurchschnitt übrig.

El Supremo



© Progressive Newsletter 1996