CD Kritik Progressive Newsletter Nr.8 (03/1996)
Takami - Y. de noir II
(60:01, Belle Antique, 1995)
Nachdem ich mich in der Zeit, seit der ich Prog höre, schon durch hunderte von Alben durchgehört bzw. -gearbeitet habe, dachte ich eigentlich, dass ich wirklich alles mal gehört hätte. Aber das war ein Irrtum (sprach der Igel und stieg von der Klobürste), denn dieses Reissue aus Japan konnte mich eines besseren belehren. Die Scheibe, ursprünglich aus dem Jahr 1983, hat meiner Meinung nach mit Prog so viel zu tun, wie Theo Waigel mit Steuererleichterungen, nämlich gar nix! Fraglich ist es außerdem, da die Abkürzung Prog ja ausgeschrieben auch den Musikstil "Rock" enthält, ob man diese Klänge wenigstens als Musik bezeichnen kann. Beim ersten Lied hatte ich da gleich mal Zweifel. Ca. 6 Minuten lang hört man nur eine ständig wiederholte, rückwärts laufen gelassene "Tonfolge" aus zwei weich eingeblendeten Tönen. Dazu hört man einen anklagenden, langsamen und mit Hall versehenen japanischen Sprechgesang von Sängerin Takami. Klingt ziemlich depressiv das Ganze. So wabbert es dann aber auch im nächsten Lied über 17 Minuten weiter vor sich hin. Spätestens in dem Moment musste ich dann die "Search"-Taste bedienen, um schwereren Depressionen meinerseits vorzubeugen. Wie ich bei kurzen Zwischenstopps alle 3 Minuten feststellen konnte, geht das tatsächlich die ganze Länge des Liedes so weiter. Übrigens, falls ich es noch nicht explizit erwähnt haben sollte, E-Gitarre, Bass, Drums oder irgendeinen Rhythmus im eigentlich Sinn, gibt's auf der ganzen CD nicht und nur im vierten Lied kommen spartanisch eingesetzt einheimische Saiteninstrumente und Percussion vor. Diese drei Minuten klingen dann wenigstens wie frühe japanische Volksmusik und sind somit in 60 Minuten die einzige Rechtfertigung, die Töne auf diesem Album als Musik zu bezeichnen. Danach dann noch mal 25 Minuten lang diese fließenden Klänge und die mittlerweile nervende Stimme. Da muss man wirklich ein dickes Fell haben, um so was durchzuhalten. Apropos fließende Klänge. Das hat überhaupt nichts mit New Age gemein, denn wenn man sich nach des Tages Arbeit diese CD auf seiner Couch zur Entspannung reinziehen würde, hätte es sicher genau die gegensätzliche Wirkung. Anstatt sich ausgeglichen zu fühlen und die inneren positiven Energie aufzufrischen, würde man nach dem nächsten Fenster suchen, um sich rauszustürzen. Da frag ich mich also, was sich Mastermind Pneuma, der dieses ganze Elend "komponiert" hat, dabei gedacht hat. Auf jeden Fall ist dies kaum Musik für das Publikum, sondern eher Musik für Musiker oder besser nur für ihn selbst. Ein paar Intellektuelle werden vielleicht, nachdem sie in mühevoller monatlicher Kleinarbeit die japanischen Texte übersetzt haben, darin die eigentliche Bedeutung dieser Scheibe erkennen. Mir bleibt dies (zum Glück) erspart und reicht es schon, mich durch dir Klänge durchzuarbeiten. Tja, empfehlen kann ich dieses avantgardistische Teil nun wirklich niemand, denn wie gesagt, fehlt die eigentliche Musik, alles ist tödlich langsam, es passiert rein gar nichts und da japanische CDs für uns eh teurer sind, bleibt als Zielgruppe nur die Verwandtschaft von Herrn Pneuma übrig. Die, um des lieben Familienfriedens willen, wohl oder übel ein paar Exemplare abnehmen musste.
El Supremo
© Progressive Newsletter 1996