CD Kritik Progressive Newsletter Nr.75 (07/2012)
Overhead - Of sun and moon
(48:44, Progressive Promotion Records, 2012)
Vier Jahre nach ihrem überaus gelungenen Album "And we're not here after all" kehren Overhead mit "Of sun and moon" zurück. Während der Schreiber dieser Zeilen bereits das Glück hatte, auf der 2010er Ausgabe des Prog Resiste Festivals in Verviers einen kurzen, recht viel versprechenden Ausblick auf dieses Album wagen zu dürfen, überrascht das aktuelle Werk der Finnen doch in mehrer Hinsicht. Wie schon bei den Vorgängeralben ist die Stilistik eindeutig als Progressive Rock erkennbar, doch selbst wenn hier Elemente aus Retro Prog, Art Rock und Space Rock zu finden sind, so ist die Verschmelzung des Ganzen doch auf seine Weise eigenständig. Denn dieses Album wartet mit einer gewissen Unvorhersehbarkeit auf, die auf knapp 49 Minuten für gelungene Überraschungen und interessante Spannungsbögen sorgt. In der ersten Hälfte des Albums geben sich Overhead wesentlich härter und mit mehr Drive, als man dies bisher gewohnt war. Dabei rutscht die Band jedoch niemals zu stark in den Heavysektor ab, alles bekommt einfach noch einen zusätzlichen virtuellen Kick in den Hintern verpasst. In der zweiten Hälfte ist mehr Platz für ausladende Emotionen und getragene Stimmungen, wird die Drehzahl mitunter gut dosiert zurückgenommen, ohne dass der musikalische Motor zu stottern beginnt. Was dieses Album weiterhin veredelt, ist die packende Balance aus Retro Elementen (u.a. mit Flöte und wuchtigen, dramatischen Sinfonik Passagen) und modernem Progressive Rock mit einer gehörigen Schippe Härte und Power. Dabei verlieren sich Overhead niemals in endlose Soloschlachten oder bauen einfach nur auf die typischen Sounds aus dem gerne verwendeten Setzkasten des Retro Progs, verzichten zudem auf jegliche Longsongs. Man spürt jedoch immer, dass die Band zwar die Vergangenheit liebt, doch eben auch im Hier und Jetzt zu Hause ist. Mit leichtem Augenzwinkern und ansteckender Lockerheit kommt die Musik mehr aus dem Bauch heraus, wirkt niemals zu verkopft, sondern spontan und geerdet. Hinzu kommen schmucke, griffige Melodien und kompositorische Kniffe, die für progressive Zugänglichkeit mit unterschwelligem Popappeal sorgen. Man fühlt sich irgendwie sofort zu Hause, trotzdem wirkt die Interpretation von Overhead frisch, neu und mitreißend. Diese gelungene Packung wird auch optisch entsprechend abgerundet. Denn das hochwertige Digipack wurde zudem mit 3D Aufdrucken versehen, die mit der mitgelieferten Brille für einen mehrdimensionalen Eindruck sorgen. Ein echtes progressives Highlight für das Jahr 2012.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2012