CD Kritik Progressive Newsletter Nr.75 (07/2012)

Nexus - Aire
(59:42, Fonocal, 2012)

Einmal mehr gilt es, für den Progressive Rock aus Lateinamerika eine Lanze zu brechen. Sicherlich hängt in unseren Breiten viel damit zusammen, dass die Veröffentlichungen von der anderen Seite des Atlantiks nicht immer leicht erhältlich sind, ein andere Hürde mag damit zusammenhängen, dass man dort eben lieber in Landessprache als in brüchigem Englisch singt. Nexus gehören noch immer zu den besten Bands aus jenen Regionen, was ihnen nicht von ungefähr im Jahr 2000 eine Einladung zum prestigeträchtigen NEARfest einbrachte. Seitdem sind schon 12 Jahre vergangen und das letzte Studioalbum "Perpetuum Karma" erschien 2006, doch glücklicherweise setzt "Aire" die Band einmal mehr gut in Szene. Mittlerweile auf Quartettgröße geschrumpft, hat die Band aus Buenos Aires nichts von ihrer progressiven Power eingebüsst. Der sinfonische, leicht dramatische Retro Prog um die drei langjährigen Freunde Lalo Huber (Keyboards), Carlos Lucena (Gitarre) und Luis Nakamura (Schlagzeug) hat immer noch Ausstrahlungskraft und melodische Eleganz, aber ebenso genügend Druck nach vorne. Einmal mehr musste jedoch der Posten hinterm Mikrofon neu besetzt werden. War zu Beginn der Bandhistorie Frontfrau Mariela Gonzalez eine stimmgewaltige Erscheinung, so hat nach der "Zwischenlösung" Lito Marcello mittlerweile Bandleader und Keyboarder Lalo Huber diesen vakanten Posten übernommen. Seine Gesangsleistung ist durchaus in Ordnung, doch vielmehr ist es die instrumentale Kraft, die bei Nexus überzeugt. In einer gut austarierten Mischung aus neo-progressiver Luftigkeit und retro-progressiver Rückorientierung hat man sich auf "Aire" vor allem vom erschlagenden ELP Vergleich der ersten beiden Alben freigeschwommen und erkennt nun mehr Ansätze von Genesis. Die Musik von Nexus ist etwas weicher ausgefallen, vor allem die Melodieseligkeit wurde hochgeschraubt. Das heißt jetzt keineswegs, dass man sich ausschließlich im Wohlklang suhlt, doch ist das Material insgesamt wesentlich griffiger und mehr von sinfonischer Eleganz durchdrängt, sind die Ecken und Kanten eher versteckt und mehr den Songs untergeordnet. Trotzdem muss auch "Aire" wahrscheinlich mit dem Makel kämpfen, dass man es mit spanischem Gesang einfach etwas schwerer hat, auch wenn dadurch der Gesamteindruck wesentlich authentischer wirkt. Deswegen: Ohren auf und gebt den Argentiniern eine Chance!

Kristian Selm



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