CD Kritik Progressive Newsletter Nr.74 (02/2012)

Sylvan - Sceneries
(50:15 + 40:36, Sylvan Music, 2011)

Mit ihrem 2006er Werk "Posthumous silence" wagten sich Sylvan zum ersten Mal an ein umfangreiches, albumumgreifendes Konzeptwerk. Rund fünf Jahre später setzen sie wiederum auf eine ausführliche Erzählung, in diesem Fall sogar in einem noch umfangreicheren Format, so dass sich "Sceneries" gleich als Doppelalbum präsentiert. Inhaltlich wird eine sehr persönliche Geschichte aufgearbeitet, die in fünf Kapitel aufgeteilt, über die Höhen und Tiefen des Lebens reflektiert und das menschliche Streben nach Glück betrachtet. Ähnlich wie bei "Posthumous silence" ist die Grundstimmung getragen, melancholisch, elegisch, mehr von nachdenklichen Momenten geprägt. Durchzogen von emotionalen Ausbrüchen kommt eine dramatische, härtere Note hinzu, wobei das Tempo mehr im mittleren Bereich angesiedelt ist und ein leicht trauriger Unterton das Album durchzieht. Doch gerade die atmosphärische Komponente, viele in Gedanken versunkene Augenblicke sorgen für ergreifende Gefühle, verleihen der Musik fernab von Dynamik und Bombast viele gänsehauterzeugende Momente. Sylvan sind immer dann am besten, wenn sie die Gitarre ergreifend und traurig schön heulen lassen, die Keyboards einen sinfonischen Unterbau liefern und in den ausschweifenden Melodiebögen über allem der Gesang von Marco Glühmann geradezu schwebt. "Sceneries" lebt in erster Linie von seinem langsamen, stetigen Fluss, da hier weniger mit Tempoverschärfungen und dynamischen Breaks gearbeitet wird, sondern die Musik den Hörer mitnimmt, ihn langsam immer mehr in die Geschichte hineinzieht. Während Sylvan auf den Vorgängeralben immer wieder unterschiedliche Ansätze für ihre Art des sinfonischen, schwermütigen Art / Progressive Rock wagten, sind sie auf diesem umfangreichen Werk immer dann am stärksten, wenn ihre Musik in weit ausladenden Strukturen eine Art Eigenleben erzeugt und man sich die nötige Zeit nimmt, in den Klängen zu versinken. Einziger Schwachpunkt an diesem Album: als Doppelalbum wirken einige Einfälle und Ideen etwas zu arg gedehnt, ein reguläres Album in Überlänge hätte vielleicht gereicht. Dennoch erweckt "Sceneries" niemals den Eindruck, dass hier Füllmaterial verarbeitet wurde. Sylvan beweisen einmal mehr ihren internationalen Anspruch, überzeugen als ausschweifend und überaus geschmackvoll musizierende Formation, die mit "Sceneries" eines ihrer besten Alben abgeliefert haben, auch wenn "Posthumous silence" noch die Nase vorn hat. Neben der regulären Ausgabe, ist "Sceneries" auch als nur über die Bandhomepage zu beziehende, limitierte Auflage von 1.000 Stück zu beziehen.

Kristian Selm



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