CD Kritik Progressive Newsletter Nr.71 (04/2011)
Soft Machine - NDR Jazz Workshop
(78:55 + DVD, Cuneiform Records, 1973)
Diese Doppelproduktion, die sich nicht identisch überschneidet, aber weitgehend dasselbe Material anbietet, ist mittlerweile die achte (!) Soft Machine Produktion des Labels nach "Spaced" 1996, "Virtually" 1998, "Noisette" 2000, "Backwards" 2002, "Live in Paris May 2nd 1972" 2004, "Grides" 2006 und "Middle Earth Masters" 2006 (kein Line-up überschneidet sich dabei). Roy Babbington (b), Karl Jenkins (ob, ss, ts, fl, e-p, p), John Marshall (dr) und Mike Ratledge (e-p, org) mit partieller Unterstützung von Gary Boyle (g), Art Themen (ss, ts) und Hugh Hopper (b, tapeloops) vertiefen sich vollkommen in ihre anarchischen Jazzphantasien. Das Programm ist in zwei Parts gegliedert. Im ersten ist diese Soft Machine Besetzung das erste Mal überhaupt live auf CD zu hören, das bislang unveröffentlichte Material ist klangtechnisch erstklassig konserviert worden und eine ganz besondere Überraschung. Was die Band hier wie intensiv und radikal frei spielt, hat perfekten Klang. Im zweiten Teil werden die Arrangements etwas weiter, Art Themens Saxophon- und Gary Boyles Gitarrenspiel erweitern die Bandbreite enorm, solistisch und in der Gruppe passieren wilde und energische Läufe, die Fans der Band die Socken ausziehen werden. Das Programm hat Suchtpotential! Nicht minder das auf der DVD enthaltene Programm, das sich in ca. 20 Minuten vom CD-Inhalt unterscheidet und das erste Mal nach seiner Erstausstrahlung vor 35 Jahren im NDR Jazz Workshop zu sehen ist. Das etwas nostalgische Fernsehbild hat sehr gute Qualität, ist nüchtern und konzentriert und unterstützt die locker coole bis hingebungsvoll versunkene, konzentrierte Band ausgezeichnet. Mancher Song beginnt luftig, episch aufgebaut, fließend wie ein Quell, und dann entwickelt die Band in teils harschen Läufen oftmals anarchische, radikale Improvisationen, die lebhaft und beredt von der ausgelassenen Virtuosität der Band und ihrer musikantischen Qualität sprechen. So locker sie da auf der Bühne agieren, kaum bewegt, keine Kinkerlitzchen veranstaltend, so grandios ist das, was sie zusammen auf ihren Instrumenten in der Band machen. Und weil auf die DVD noch mehr Inhalt passt als auf die CD, die etwa 79 Minuten lang ist, sind zwei Audio-Bonustracks angehängt, Hugh Hoppers "1983" in seiner einzigen Liveversion (15:33) und das 11-minütige "Encore improvisation / Stumble reprise". Es brauchte eigentlich weniger Gründe, sich dieses qualitativ sehr hochwertige und musikalisch ausgefallene grandiose Livealbum zuzulegen. Tipp!
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2011