CD Kritik Progressive Newsletter Nr.69 (07/2010)
The Pineapple Thief - Someone here is missing
(45:24, KScope, 2010)
Nachdem The Pineapple Thief mit ihrem letzten Album "Tightly unwound" beim Label KScope (u.a. No Man, Anathema, Blackfield) gelandet sind, nahmen sie dies gleichzeitig zum Anlass, so etwas wie eine kleinere inhaltliche Kurskorrektur und musikalische Fokussierungen vorzunehmen. Doch erst mit "Someone here is missing" scheint sich die Band um Gitarrist / Sänger Bruce Soord, stilistisch noch konsequenter neu zu sortieren. Vorbei scheinen die Zeiten der atmosphärischen Klänge, der spacigen Passagen und der euphorischen Dynamikwechsel, die die Band des Öfteren mit den Initialen- und Backkatalog Labelpartnern Porcupine Tree in Verbindung brachte, wobei man diesen Vergleich bei The Pineapple Thief immer eher leicht genervt zur Kenntnis nahm. "Someone here is missing" ist das bisher direkteste und heftigst rockende Album der Briten, setzt weit weniger auf langsame entfaltende Stimmungen und prächtige Melodien, denn auf mächtige Saitenpower und elektronischen Drive. Natürlich sind The Pineapple Thief nicht zur Metal oder Industrialkapelle mutiert, doch man mag es eben jetzt geradliniger und einen deutlichen Schuss härter und noch gitarrenlastiger. Gerade das Wagnis, eben nicht einfach ein weiteres Album nach einer bekannten Herangehensweise abzuliefern, fordert Mut, aber eben auch die Kunst, keinen falschen Weg einzuschlagen. Bei The Pineapple Thief ist dabei irgendwie ein musikalischer Zwitter entstanden, der in gewisser Weise an die Wandlung von Pure Reason Revolution erinnert, nur eben in eine etwas andere Richtung. Nicht dass The Pineapple Thief durch mehr Gitarre und Elektrogroove komplett anders klingen, aber es fehlt eben trotz leichtem Pop Appeal an den faszinierenden Momenten, die man von den früheren Werken kennt. Auch den Gesang mehr nach vorne zu rücken, wird nicht jedem gefallen, denn die näselnde, durchaus eigene Stimme des Frontmanns ist nicht nach Jedermanns Geschmack. Erst die Zukunft wird zeigen, ob dies ein einmaliger Ausflug war oder nur der Startpunkt für eine neue Umorientierung. Vorerst bleiben ein irgendwie zwiespältiger Eindruck und einige Fragezeichen zurück, auch wenn "Someone here is missing" sicherlich kein schlechtes Album ist und andere Kritiker restlos begeistert sind.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2010