CD Kritik Progressive Newsletter Nr.63 (09/2008)

Pineapple Thief - Tightly unwound
(59:36, k-Scope, 2008)

Haltet den Dieb! Diesen wirklich. Denn wohl noch nie ist die Melange aus dem notorisch schwer zu fassenden "Alternative Rock" und progressiven Elementen derartig organisch gelungen. Kaum jemals war es so ästhetisch, jemandem beim Trauern zuzuhören. Und wohl selten konnte man mit der aktuellen Scheibe eines zutiefst "anspruchsvollen" Acts gänzlich gefahrlos auch die - jetzt mal nur als Beispiel - Poprock-Stilistiken zugeneigte Partnerin entborsten. Jahrelang ist Bruce Soords Band mit Porcupine Tree verglichen worden, was ihrem beharrlich kletterndem Erfolg gut getan hat, aber spätestens seit "Little Man" (2006), Soords einzigartigen, musikalisch gesetzten Grabstein für seinen verstorbenen Sohn Felix, zielt dieses "sounds like" eigentlich viel zu niedrig. "Tightly Unwound" sollte Pineapple Thief sich nun endgültig dieser Messlatte entzogen haben. Da sind schon eher ältere Radiohead die Referenz. Vor denen sich Soord auf beispielsweise dem beschwörenden "My Debt To You" auch nicht nass machen muss. Wobei "The Sorry State" auch Sigur Rós-Freunden deutlich zusagen müsste. Das vielteilige Titelstück irritiert angenehm mit in diesem Kontext fast bonhamesk wirkenden Drums und ausgesprochen atonalen Ausbrüchen, die allerdings auch schnell wieder von Mellotron und Akustikgitarren versöhnlich eingefangen werden. Dafür bedroht uns "Different World" mit Hornissenschwarm-artigen Gitarren à la Isis / Neurosis, die nunmehr von Streicherharmonien befriedet werden. "And So Say All Of You" betritt sowohl ultramelodisches, Heavy- wie auch irgendwie "Alternative"-Gebiet - in gerade mal vier Minuten. Der Longtrack "Too Much To Lose" (15:) verdrückt sich schließlich wie ein abgedrehter Probenraum-Jam. Aber einer von der diebischen P. Thief-Sorte...

Klaus Reckert



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