CD Kritik Progressive Newsletter Nr.64 (02/2009)

It Bites - The tall ships
(69:37, InsideOut, 2008)

Nach einigen Irrungen und Wirrungen (kurze Liveauftritte im Original Line-Up, monatelange Untätigkeit ohne jegliches Ergebnis, sowie dem Entschluss von ex-It Bites Francis Dunnery, aufgrund der räumlichen Entfernung, doch nicht bei der Rückkehr der Band zur Verfügung zu stehen), liegt nach knapp 19-jähriger Pause wieder ein Studioalbum von It Bites vor. Wenn man es ganz genau nimmt, handelt es sich eigentlich um 3/4 der Mannschaft der All-Star Band Kino, die zu Beginn noch vom Original It Bites Bassisten Richard Nolan ergänzt wurde, womit von den Namen her 3/4 der Original It Bites Besetzung am Start war. Doch Nolan zeigte nicht den nötigen Enthusiasmus für den Neuanfang, so dass "The tall ships" in Trio Besetzung, die anschließenden Konzerte mit Lee Pomeroy (u.a. Rick Wakeman Band) am Bass, eingespielt wurden. Wenn man es etwas überspitzt formuliert, sind die 11 Songs auf "The tall ships" eigentlich eine etwas mehr pop-rock-orientierte Fortsetzung vom Kino Debüt "Picture" (2005). Die typischen It Bites Trademarks (verschachtelte Chorgesänge, geschickt arrangierter Pop Prog Bombast) finden sich nur in einigen Passagen in der ursprünglichen Ausprägung wieder. Trotzdem scheint es eine logische Neuausrichtung, denn auch wenn der neue Frontmann John Mitchell seit jeher ein großer It Bites Fan ist, fand man eine neue Mixtur, die eben nicht nach einem lauwarmen und eher verkrampften Aufguss der Vergangenheit klingt. Vom musikalischen Grundansatz ist man sich dennoch irgendwie treu geblieben, denn melodietrunkene Einfälle werden mit moderater "Progressiveness" gepaart. In erster Linie ist es aber die ansteckende Fröhlichkeit und ehrlich herüberkommende Lockerheit, die den Brückenschlag zur Vergangenheit bildet. Trotzdem ist "The tall ships" ein eigenständiger Versuch, eine neue Identität zu finden, denn Mitchell singt und spielt in einer ganz anderen Liga als Francis Dunnery. Ihm fehlt einfach die leichte Versponnenheit seines Vorgängers, er kann aber trotzdem mit einer eigenen Note als guter Frontmann überzeugen. Neben kürzeren, sofort eingängigen, aber keinesfalls platten Rocknummern, wagt man sich mit dem über 8-minütigen "The wind that shakes the Barley" und dem über 13-minütigen "This is England" in wesentlich sinfonisch-progressivere Gefilde, womit diese Tracks einen gelungenen Gegenpol zum restlichen Album bilden. "The tall ships" kann sich zwar keinesfalls mit dem It Bites Überwerk "Once around the world" (1988) messen, das Album macht aber dennoch so viel Spaß, dass man sich von dieser (Halb-)Reunion eine Fortsetzung wünscht.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2009