CD Kritik Progressive Newsletter Nr.63 (09/2008)

Ozric Tentacles - Sunrise Festival
(72:01, Snapper Music, 2008)

Nachdem Bandleader Ed Wynne das letzte Studioalbum "The floor's too far away" (2006) fast komplett im Alleingang beschritt, während er zuvor seine teils jahrzehntelangen Wegbegleiter einfach aus der Band gekickt hatte, ist dieses letztes Jahr beim Sunrise Festival mitgeschnittene Livealbum so etwas wie eine Rückkehr zu den Ursprüngen der Band. Mit Schlagzeuger Merv Pepler und Keyboarder Joie Hinton kehrten zum ersten mal seit 12 Jahren zwei Urgesteine aus den Anfangstagen von Ozric Tentacles auf die Bühne zurück, womit sich ebenfalls erklären lässt, dass die Setlist bis auf das Intro und den "Sunrise Jam" ausschließlich aus Material aus den Jahren 1990-93 bestand. Spötter werden natürlich behaupten, dass man die Unterschiede im Songmaterial keineswegs erkennt, doch merkt man hier eben doch den Unterschied, da die früheren Aufnahmen eine Spur sphärischer, zugleich ebenfalls erdiger klingen. Interessanterweise spielt die aktuelle Ozric Mannschaft aber eben nicht nur jede Menge Klassiker (u.a. "Erpland", "White Rhino tea", "Eternal wheel") als 1:1 Kopie der Studioversionen nach, sondern das gesamte Konzert ist quasi ein riesiger Jam, bei dem die Titel fast komplett nahtlos ineinander übergehen. Zudem ist vom Original teilweise nur das Grundgerüst übrig geblieben, über dem ausgiebig improvisiert bzw. mit neuen Sounds experimentiert wird. So erfährt der groovig-psychedelische Instrumental Space Rock eben nicht nur durch elektronisches Geblubber und Ethno-Anklänge eine Anreicherung, sondern das Quartett spielt sich fast in einen rituellen Rausch. Sicherlich taten die Bühnegestaltung, sowie Projektionen und Lightshow ein Übriges dazu, dass der Flug durch den Äther zu einem wunderbaren Erlebnis wird und die Musik sich selbst zum Schweben bringt. Schaut man sich dazu die DVD an (die mit "The throbbe" noch einen weiteren Klassiker enthält) wird zwar die einmalige Atmosphäre des Sunrise Festivals greifbar, es offenbaren sich jedoch bei der Bühnenpräsenz im Vergleich zu früheren Line-Ups deutliche Schwächen. Vor allem die Eskapaden des verrückten Flötisten John Egan fehlen, wie auch ex-Keyboarder Seaweed und Bassist Zia für wesentlich mehr Action auf der Bühne sorgten. Heutzutage sind die drei Hauptakteure meist hinter ihren Keyboardburgen versteckt, da man aufgrund der Quartett-Besetzung die instrumentalen Rollen neu aufteilte. Ausserdem zeugt die recht wackelige Filmarbeit nicht gerade von Professionalität. "Sunrise Festival" überzeugt damit vor allem als CD, bei der DVD muss man jedoch mit Abstrichen leben.

Kristian Selm



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