CD Kritik Progressive Newsletter Nr.57 (11/2006)

Ozric Tentacles - The floor's too far away
(59:46, Magna Carta, 2006)

Bereits seit einigen Jahren war Multi-Instrumentalist Ed Wynne als das einzig noch verbliebene Original Gründungsmitglied mehr oder weniger ein Synonym für die Musik von Ozric Tentacles. Doch gerade in den letzten beiden Jahren bzw. Monaten vollzog er den wohl radikalsten Schnitt in der Historie der Band, denn inzwischen tauschte er die komplette Mannschaft aus. U.a. fand der langjährige Flötist Champignon neben anderen ex-Ozric Tentacles Mitgliedern eine neue Heimat bei den britischen Space Rockern Dream Machine, wie auch Keyboarder Seaweed bei deren Veröffentlichungen als Gast auftauchte. Die aktuelle Inkarnation von Ozric Tentacles ist inzwischen auf Quartettgröße geschrumpft, wobei im Studio Ed Wynne alle Fäden in der Hand hält. Dies führt zum Teil dazu, dass er auf "The floor's too far away" fast als alleiniger Herrscher der Instrumente durchgeht und neben Gitarre und Keyboards auch noch zum Teil Bass und Schlagzeug einspielte. Irgendwie beschleicht einen zu Beginn gehörige Skepsis, ob so etwas überhaupt gut gehen kann, auch wenn man bei etwas objektiver Betrachtung ohne Fanbrille sicherlich eingestehen muss, dass sich die letzten Ozric Alben nur marginal unterschieden. Doch gerade mit dem letzten Album "Spirals in hyperspace" gelang nochmals ein richtig großer Wurf, an dem sich jetzt auch "The floor's too far away" messen lassen muss. Nach einigen Durchläufen ist das finale Urteil gereift: "The floor's too far away" ist keineswegs eine Enttäuschung, sondern vielmehr eine durchaus gelungene Überraschung, denn selten waren auf einem Album so viele Facetten aus dem Ozric Universum vereint. Ob nun rockiger Space Rock Sound mit den stilprägenden "Out of this world" Synthiesounds, kernige, aktuelle Beats oder Ambient, sowie World Music Einfluss - alles ist hier vertreten, was man bereits von den Vorgängeralben kennt, doch nie in dieser facettenreichen Bandbreite auf einer Veröffentlichung fand. Einzig der insgesamt etwas sterile, technoide, nicht immer organische Sound, sowie das Fehlen der exotischen Flötentöne, stoßen mitunter bitter auf. So ist dieses Album in erster Linie zwar ein typisches Ozric Tentacles Album auf absolut ansprechendem Niveau, aber es steckt hier doch erstaunlicherweise mehr drin, als man dies vielleicht auf den ersten Blick erwarten durfte.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2006