CD Kritik Progressive Newsletter Nr.59 (05/2007)
Marillion - Somewhere else
(52:07. Intact, 2007)
Auch wenn Marillion mit ihrem letzten Werk "Marbles" für eine sehr positive Überraschung sorgten, so bleibt bei jedem neuen Album auch immer wieder dieses ungute Gefühl, dass die Band sich nochmals solche Ausrutscher wie das unsägliche "Radiation" leistet. Deswegen die schlechte und gute Nachricht zuerst: "Somewhere else" ist keine 1:1 Fortsetzung der stimmungsvollen, epischen "Marbles" Arrangements, sondern insgesamt wesentlich songdienlicher, aber dafür auch kein völliges Abrutschen in musikalische Niederungen der Vergangenheit. Die 10 Titel haben zwar immer noch den inzwischen typischen aktualisierten Marillion Sound, den sich die Band spätestens seit "Afraid of sunlight" auf die Fahne geschrieben hat, aber dafür setzt man dieses Mal wesentlich mehr auf einen ordentlichen, recht relaxten Rocksound, in dem die wenigen Schnörkel eher Verzierungen, denn der Ausbruch in ausladende Gefilde sind. Obwohl sich der Sound der Band gerade im letzten Jahrzehnt erheblich gewandelt hat, kann man noch immer auf eine vielköpfige Fanschar bauen, die aufgrund ihrer Kaufkraft beim letzten Album sogar für einen kurzfristigen Top 10 Charthit in England sorgte. "Somewhere else" hat zwar ebenfalls schöne Melodien mit Weltschmerz und dynamische Momente, sowie leichten 60s Touch, einen richtigen Knaller findet man jedoch auf diesem Album nicht. Dies bedeutet jetzt nicht, dass "Somewhere else" eine Enttäuschung wäre - mitnichten. In sich wirkt dieses Album gereift, gut und souverän eingespielt, doch brillante Melodiebögen mit echter Gänsehautgarantie sind eben Mangelware. Gerade die erste Hälfte des Albums ist zwar zeitloser, stimmungsvoller Rock Marke Marillion, doch eben nicht mehr. Zudem hat man mit "Most toys" leider wieder mal einen kompletten Totalausfall am Start, der recht belanglos vor sich hinrockt. Die volle Kraft von Marillion kommt erst dann zur Geltung, wenn sich die Band mal etwas mehr Zeit und Ruhe nimmt. So bekommt die Musik im knapp 8-minütigen Titelsong, sowie dem folgenden "A voice from the past" wesentlich mehr Raum zur Entfaltung, wobei endlich auch mal die Gitarre etwas heulen darf, ohne an die Glanzzeiten von früher heranzukommen. Und siehe da, dennoch flammt sie dann auf einmal für einige Augenblicke auf, die stimmungsvolle Schönheit und Melancholie, für die die Band immer noch ein feines Händchen hat. Doch leider gibt es von diesen magischen, emotionalen tiefgreifenden Momenten etwas zu wenig auf diesem Album, so dass "Somewhere else" eher in die Kategorie der guten, aber keinesfalls herausragenden Alben der Banddiskografie einzuordnen ist.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2007