CD Kritik Progressive Newsletter Nr.58 (02/2007)
Sylvan - Presets
(62:28, Point Music, 2006)
Mit "Presets" legen Sylvan das parallel zum letzten Album "Posthumous silence" aufgenommene und bereits lange angekündigte, stilistisch doch etwas anders ausgerichtete Werk vor. Bereits im Interview in Heft Nr.56 mit Schlagzeuger Matthias Harder ließ dieser durchblicken, warum es durchaus Sinn machte, beide Alben unabhängig voneinander zu veröffentlichen: "Musikalisch ist es sicherlich unser bislang "kommerziellstes" Album, ohne dabei jedoch unsere Identität zu verleugnen. Das ganze Album hat eine wundervolle melancholische Grundstimmung, große Refrains und auch einige Sylvan typische Überraschungen!" Ein Blick auf die Songlängen macht deutlich, was mit der "kommerzielleren" Ausrichtung gemeint ist, denn bis auf die beiden knapp 7-minütigen "One step beyond" und "Former life", sowie dem an die 13 Minuten langen, das Album abschließenden Titelsong, bewegen sich die restlichen Stücke ausschließlich im Bereich zwischen 3-5 Minuten. Ein Großteil des Materials verzichtet somit auf ausufernde Instrumentalteile, sowie innere Wechsel bzw. Brüche bei Dynamik und Aufbau, sondern Sylvan bewegen sich logischerweise wesentlich dominanter in songorientierten Strukturen. Ein Händchen für schöne Melodien und Emotionalität hatten die Jungs aus Hamburg ja schon immer und trotz kürzerer Songlängen wurde glücklicherweise nicht auf die typischen Trademarks verzichtet. So klingt "Presets" in erster Linie typisch nach Sylvan und keineswegs nach einer Band, die sich selbst komplett neu orientiert hat. Jedoch wirkt vieles eben geradliniger, wesentlich fokussierter und weit weniger verspielt. Gerade die Soloteile wurden weitgehend zurückgefahren bzw. sind in einigen Songs komplett verschwunden. Die Musiker ordnen sich unter, nehmen sich auch spielerisch zurück, um damit wesentlich konzentrierter und banddienlicher, aber auch eine Spur straighter, die Songaussage in den Vordergrund zu stellen. Gerade deshalb ist "Presets" im Vergleich mit anderen Sylvan Alben in gewisser Weise ein Drahtseilakt. Denn einen großen Reiz der Musik machte beim Quintett aus der Hansestadt auch immer die instrumentale Seite aus, allen voran Gitarrist Kay Söhl, der durch sein gefühlvolles Spiel einige Songs verfeinerte. Aber genauso lebten viele Arrangements vom sachten Aufbau, von der sich langsamen aufbauenden Stimmung, die sich auf diesem Album vor allem auf die drei längeren Titel verschiebt. Dieser Gegensatz zwischen hochmelodischer, auf den Punkt gebrachter Songs und Longsongs mit ausschweifender, aber packender Melodik, sowie inneren Wechseln, wird besonders beim Titelsong offenbar, der am Ende des Albums steht. Während ein Großteil der vorherigen Songs professionell und gut gemacht, aber mitunter doch eine Spur zu geradlinig dem Ohr schmeichelte, sind hier auf einmal wieder die großen Momente präsent, wirkt eben mit etwas mehr Spielzeit und innerer Spannungstiefe, aber auch harten Riffs, die Musik um einiges packender und kontrastreicher. "Presets" zeigt eine etwas andere Facette von Sylvan, bei der sich in dieser geballten Form die Band vielleicht doch etwas unter Wert verkauft. Natürlich ist dieses Herummäkeln auf recht hohem Niveau, andererseits wurde die Meßlatte mit "Posthumous silence" recht hoch gelegt. Dennoch haben Sylvan mit diesem Album sicherlich die Chance, bei einem wesentlich breiteren Publikum auf offene Ohren zu stoßen, und somit den Mainstream Markt für ihre Musik zu begeistern. Und vielleicht wird ja dadurch die "normale" Hörerschaft etwas progressiv umgekrempelt.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2007