CD Kritik Progressive Newsletter Nr.57 (11/2006)
Cryptic Vision - In a world
(72:59, Privapressung, 2006)
Cryptic Vision machen mir ihrem aktuellen Album "In a world" ganz einfach dort weiter, wo sie sich bereits mit ihrem Debüt "Moments of clarity" wohl fühlten, und so geht der Retro Prog aus Florida erfolgreich in die zweite Runde. Progressiv im eigentlichen Sinne des Wortes ist dieses Album natürlich keineswegs, dafür liefert es eine souveräne Blaupause von dem ab, was man von einer gelungenen Sinfonic Prog Rock Scheibe mit Retroanleihen erwarten darf. Gleich mit dem über 16-minütigen Opener und Titletrack bekommt man eine gehörige Portion Abwechslung geboten, bei der u.a. Gastgeiger David Ragsdale (inzwischen wieder bei Kansas eingestiegen) seinen ersten Gastauftritt hat und ein latinartiger Zwischenteil verdächtig an einen ähnlichen Part bei Spock's Beards "The light" erinnert. Da passt es auch ins Bild, dass Alan Morse (Spock's Beard) ebenfalls einen Gastauftritt hat. Doch Cryptic Vision bewahren ihre Eigenständigkeit, da sie mehr auf die melodische Schiene setzen und einen leicht mainstreamigeren Wohlfühlsound abliefern. Trotz verschiedenster Stimmungen und unterschiedlichen Fragmenten klingt's eben typisch locker leicht amerikanisch, ohne den Hörer mit zu viel Komplexität zu überfahren. Diese gewisse Leichtigkeit kann man natürlich Cryptic Vision als Nachteil anlasten, denn echte Wagnisse oder abgefahrene Wechsel bekommt man auf diesem Album nicht geboten. Vielmehr dominieren schon fast AOR / Mainstream taugliche Melodielinien, dennoch wird genügend Schmackes und nicht zu übertriebener Bombast beigemischt, dass keineswegs ein schaler Nachgeschmack bleibt. Gerade in den instrumentalen Zwischenparts ist einiges an Variation und spielerischer Souveränität versteckt. So ist dieses Album vor allem bestimmt von einigen eleganten, mitunter auch ausufernden Soloteilen, eingebettet in fluffig-weiche, aber powervolle Neo Prog / Retro Prog Arrangements, die genügend Substanz beinhalten. Cryptic Vision sind übrigens parallel auf der Suche nach Auftrittsmöglichkeiten in Europa für das kommende Jahr, so dass sie eventuell auch mal in unseren Breiten vorbeischauen könnten. So lange kann man jedoch auf dieses melodisch-positive Album zurückgreifen, denn der nächste Sommer kommt bestimmt.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2006