CD Kritik Progressive Newsletter Nr.56 (07/2006)
The Gathering - Home
(60:28, Sanctuary, 2006)
"Home" ist in mehrerer Hinsicht einerseits ein Aufbruch zu neuen Ufern, andererseits aber auch eine Rückkehr zu bekannten Gestaden. Nach dem Experiment, ihren letzten Longplayer "Souvenirs" auf dem eigenen Label zu veröffentlichen und sich zum Großteil selbst um die Promotion zu kümmern, kehren The Gathering mit einem Lizenzvertrag mit Sanctuary wieder in den sicheren Hafen eines großen Labels zurück. Als Produzent holte man sich den experimentierfreudigen Atti Bauw ins Boot, der bereits dem Doppelalbum "How to measure a planet?" einen ganz eigenen Sound verlieh. Für die Aufnahmen des Albums zogen sich die Holländer zudem für mehrere Wochen in eine Kirche in der Kleinstadt Maurik zurück, wo sie sich häuslich einrichteten und "Home" gemeinsam erarbeiteten und aufnahmen. Und so gibt es auch dieses mal wieder die "kaputten", aber auch sehr organischen Sounds, die man bereits von den Vorgängeralben kennt, daneben setzt die Band um die charismatische Sängerin Anneke van Giersbergen noch viel mehr auf griffige Songstrukturen im Mid Tempo Bereich, in denen atmosphärische und sphärische Passagen mehr als Teil des Ganzen wirken, denn sich in den Vordergrund drängen. Die Gitarre ist inzwischen nur noch eine weitere instrumentale Komponente des Gesamtsounds, weswegen harte Riffe oder metallische Passagen auf diesem Album fast gar nicht zu finden sind. Vielmehr ist der Trip Rock der Holländer inzwischen deutlicher im modernen Alternative Rock zu Hause, ohne dabei auf typische Trademarks zu verzichten, wie den raumgreifenden, traumwandlerischen Gesang der Frontfrau oder sachte Pianoklänge, die auch "Home" sofort als The Gathering Album erkennen lassen. Dennoch braucht dieses Album mehrere Durchgänge, bis die teils sehr zurückgenommenen Arrangements und mehrheitlich weicheren Passagen nachhaltig überzeugen können. So gelingt es erst dem vierten Track "Waking hour", die Magie aus eindringlichem Gesang und Stimmung in fesselnde Spannung zu verbinden, während davor nur angedeutet wird, was in der Band steckt. Gerade der traurige Grundansatz, der dieses Album durchzieht und der von nur sehr wenigen rockigen Passagen durchbrochen wird, macht dieses Werk zu einem sehr intimen Album. "Home" ist beileibe kein schlechtes Gathering Album, doch im Vergleich zum Vorgänger "Souvenirs" oder zu anderen Großtaten wie z.B. "How to measure a planet?" muss dieses Album doch leicht zurückstecken. Nichtsdestotrotz hat die Band inzwischen ihre ganz eigene musikalische Nische gefunden, die dieses Mal durch eine Spur mehr Melancholie und weniger Expressivität abgegrenzt wird.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2006