CD Kritik Progressive Newsletter Nr.55 (04/2006)

Ars Nova - Chrysalis / Force for the fourth
(46:04, Musea, 2006)

In der inzwischen über zehnjährigen Geschichte von Ars Nova gibt es nur eine Konstante: Keyboarderin Keiko Kumagai (wobei selbst das nur bezogen auf die Alben stimmt, Gründungsmitglied ist auch sie nicht). Auch vor "Chrysalis" hat der alte Grundsatz, dass personell nur der Wechsel eine Konstante der Band darstellt, nicht Halt gemacht. Schlagzeugerin Akiko Takahashi und Keyboarderin Mika sind, nachdem sie ja schon auf "Biogenesis Project" nicht mehr durchgängig vertreten waren, endültig von Bord gegangen. Neu rekrutiert hat Kumagai dafür Ex-Gerard Fellgerber Masahiro Goto (inzwischen übrigens auch schon wieder Ex-Ars-Nova und neu bei Triton...), zudem Bassistin "Panky" Shinko Shibata und Gitarrist Satoshi Handa. Moment mal. Gitarre bei Ars Nova? Das ist ja nicht ganz so normal, oder? Richtig, augenscheinlich hat die gute Keiko an den Einlagen von "Ayreon" Arjen Lucassen auf dem Vorgänger gefallen und sich entschlossen, das Klangbild der Gruppe durch dauerhafte Hinzunahme eines Klampfers zu erweitern. Wobei man eigentlich bei beiden Aussagen dezente Zweifel anmelden könnte: zum einen spielt Handa doch deutlich anders als Lucassen, viel stärker an den großen Flitzefingern des Metals orientiert als es das hardrockbasierte Spiel Lucassens ist, zum anderen ist anscheinend bei Vergleich von Homepage und Booklet der CD anscheinend der Band selber noch etwas unklar, ob Handa nun Gast ist oder permanentes Mitglied. Nun, vielleicht sollte man darüber auch gar nicht allzu lange grübeln, also weiter im Text bzw.: mit der Musik. Beim Blick auf die Titel dürften dabei bei den Ars-Nova-Kennern gleich mehrere Glöckchen läuten. Ja, genau, es gibt nichts wirklich vollständig Neues um die Ohren, sondern "nur" umgearbeitete Neuaufnahmen alter Titel. Auch wenn ich dieses Vorgehen prinzipiell etwas schade finde und man, wenn es denn so sein soll, wenigstens alle Alben hätte abdecken können, so bietet diese Tatsache einen nicht zu unterschätzenden Vorteil für den Rezensenten. Schließlich wird es so möglich, einen Vergleich zwischen dem neuen und alten Klang der Stücke zu ziehen und sich etwas weniger auf grundsätzliche Beschreibungen der Musik und bizarre Godzilla-Vergleiche zu konzentrieren. Also, Butter bei die Fische, was gibt es - neben einigen dezenten Änderungen der Komposition - Neues? Ars Nova hatten bis jetzt ja meist eher zurückhaltende und banddienliche Drummer, v.a. die zierliche Akiko Takahashi spielte zwar stets gekonnt, konnte sich aber selten an den allgewaltigen Keyboards vorbei mitten ins Gehör des Zuhörers spielen. Das ist bei Masahiro Goto etwas anders. Wie von Gerard bekannt, kann er sich mit seinem sehr dynamischen und teilweise auch ziemlich rabiaten Spiel einen Raum in der Musik erkämpfen, der dieser hörbar gut tut. Auch Shibatas Bass kann sich einige Male geschickt in den Vordergrund drängeln, obwohl das für mich persönlich noch deutlich durchsetzungskräftiger und häufiger passieren dürfte. Am spannendsten ist aber sicherlich die Frage, wie sich die Gitarre in das Klangbild einfügt - gut erkennen lässt sich das v.a. bei "Succubus" und "Horla rising", in denen die Gitarre passagenweise die Keyboardlinien in den Originalstücken von "Android domina" ersetzt. Und: Es passt! Zuerst noch ungewohnt, klingen inzwischen die Stücke so, als wären sie von vornherein für eine Band mit Gitarre geschrieben worden. Gerade Horla Rising ist (auch durch das Drumming) zu einem richtigen "Brecher" geworden. Seinen Anteil hat sicherlich auch Handas Spiel, das sich mit seinen schnellen Akkordfolgen und teilweise hartem Riffing fast nahtlos in den "überladenen" Ars-Nova-Sound einfügt. Wenn man den also ehedem mochte, wird man dieser klangdimensionalen Erweiterung also sicherlich einiges an Positivem abgewinnen können. Wie es im anderen Fall ist? Ich glaube nicht, dass nur dadurch jetzt jemand zum Fan der Band mutiert. Ausprobieren sollte es aber jeder selber... Bleibt somit das Fazit, dass "Chrysalis" ein weiteres gelungenes Album auf dem Kerbholz der Japaner ist. Trotzdem, ich hätte eigentlich lieber ein "echtes" neues Album gesehen und irgendwo kann man hier dann schon auch die Sinnfrage stellen, warum es das dann nicht geworden ist...

Dennis Egbers



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