CD Kritik Progressive Newsletter Nr.54 (01/2006)
Proto-Kaw - The wait of glory
(62:45, InsideOut, 2005)
Als die Ur-Kansas Formation Proto-Kaw 2004 mit "Before became after" auf der Bildfläche erschien und ihr unerwartetes Comeback feierte, ging es eigentlich mehr darum, den eigenen Traum einer gemeinsamen Albumveröffentlichung zu Ende zu führen. So bestand die Hälfte des Materials noch aus "Resteverwertung" aus den 70ern, die andere Hälfte komponierte Kerry Livgren, nachdem die Entscheidung für ein Wiederbeleben der Band getroffen war. Doch der Traum scheint noch lange nicht ausgeträumt, denn mittlerweile gaben Proto-Kaw einige Konzerte in ihrer Heimat (u.a. auf dem Pre-Nearfest zusammen mit P.F.M.) und werden im Januar zusammen mit Pallas im Doppelpack auch in unseren Breiten live zu bewundern sein. Im Gepäck hat man dabei "The wait of glory", das zweite Album, welches nun augenscheinlicher beweist, wo Proto-Kaw derzeit musikalisch stehen. Im Vergleich zum Vorgänger fällt im ersten Teil des Albums zuerst auf, dass die sperrigen Kanten inzwischen fast glattgeschliffen wurden, zu Gunsten (oder eben nach anderer Sichtweise: zu Ungunsten) eines kompakteren, bombastischen, wenn auch keineswegs langweiligen Retrosounds. Die verspielten, oftmals klassisch geprägten Instrumentalpassagen dominiert inzwischen hauptsächlich die Gitarre. Flöte und Saxophon sind zwar immer noch deutlich zu vernehmen, dennoch ist ihre Rolle insgesamt wesentlich zurückhaltender einzustufen. Die Keyboards dienen ebenfalls eher der Unterstützung, als sie solistische Akzente setzen. Dennoch steht die vermehrte inhaltliche Dramatik und ein wesentlich gitarrendominierterer, mit mehr Power versehener Sound der Band ebenfalls recht gut zu Gesicht. Jedoch erweckte das Debüt, wie auch das ursprüngliche Material aus den 70ern durch die instrumentelle Wucht und den jazz-rockigen Charakter mehr Eigenständigkeit. Doch im Mittelteil des Albums zeigen Proto-Kaw dann ihre wesentlich komplexere, jazz-rockigere Seite. Im gefestigtem Zusammenspiel blitzen nun einige magische Momente auf, wie z.B. beim krachend und heftig rockenden "Physic" oder dem kurzen, humorvollen, aber recht abgedrehten "Osvaldo's Groceries". Doch nach diesen beiden Kurzausflügen folgt wieder eine Rückkehr zum sinfonischen Grundsound. Letztendlich hätte man sich von der Band aus Kansas durchaus mehr Überraschungen erhofft, doch scheint hier das Alter der Bandmitglieder unweigerlich mehr spielerische Zurückhaltung ausgelöst zu haben. Proto-Kaw sind mit "The wait of glory" über weite Strecken sozusagen im progressiven Mainstream angelangt, das aber selbstverständlich auf recht hohem Niveau.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2006