CD Kritik Progressive Newsletter Nr.54 (01/2006)
Liquid Scarlet - II
(57:10, Progress Records, 2005)
Liquid Scarlet - Killer couple strikes again
(24:26, Progress Records, 2005)
Mit ihrem zweiten Album gehen Liquid Scarlet konsequent ihren eigenen, wesentlich eigenständigeren Weg. War das Debüt noch meist im skandinavischen Progressive Rock im Retrosound mit dem allseits bekannten Schuss nordischer Melancholie verwurzelt, so finden sich auf "II" vermehrt raue, aber auch melancholische, schrammelige Alternative Rock Einflüsse, wie auch psychedelisches Gedankengut wieder, kommen vor allem die melodischen, sehr schwermütigen Momente mehr zur Geltung. Den Schweden gelingt der Spagat zwischen klanglicher Vergangenheit und sachter kompositorischer Einarbeitung aktueller Strömungen, was sicherlich manche Fans des jeweiligen Lagers bzw. Puristen verstören wird. Dennoch ist "II" keineswegs ein Album, welches beim ersten Anhören begeistert. Die spröden, etwas abweisenden, irgendwie auch inhaltlich zerrissenen Strukturen, mitunter auch bewusst "falsch" klingende Gesangslinien, sorgen zuerst für unerwartete Ernüchterung. Es mag daran liegen, dass Liquid Scarlet eben nicht unbedingt so klingen, wie man dies von anderen Bands der Retro Schiene kennt und auch hier erwartet. Ihre Ansätze sind wesentlich subtiler, das antike Tastenarsenal ist viel bedächtiger eingearbeitet, die musikalischen Ideen stürzen nicht mit der Holzhammermethode und dem typischen Aha-Effekt auf den Hörer ein. Noch am ehesten wissen zu Beginn die im wesentlichen brachialen, crimsonesken Einfälle zu begeistern, wie z.B. das knapp 10-minütige "The carafe (Part II"). Doch je länger und vor allem je öfters man sich "II" anhört, so mehr entwickeln die fragilen, mitunter minimalistischen Melodien, die zurückgenommenen Arrangements ihre volle Schönheit. Sicherlich wirkt das hin und wieder auch etwas verschlafen, aber während die Band auf ihrem Debüt oftmals in dieser Winterschlafstarre verharrte, gelingt ihnen auf dem Nachfolger die innere Auflösung, dienen sanfte Melodiebögen als bandinterner Weckruf. Liquid Scarlet arbeiten im Studio weniger mit instrumentaler Wucht, mit spielerischem Können, als sie viel mehr durch stimmige Atmosphäre und rockige Elemente überzeugen können. Auch passen da eher geradliniger Alternative Rocker wie "Killer couple strikes again" oder das an die Spätphase der Beatles erinnernde "The marriage of Maria Braun" ins Gesamtkonzept. Ein gelungenes, sehr frisches Zweitlingswerk, mit dem reine Progpuristen sicherlich ihre Schwierigkeiten haben werden. Ansonsten gilt: Liquid Scarlet sind auf dem richtigen Weg und sollten sicherlich ihren ganz eigenen Platz ihm prognahen Rockbereich finden, und vielleicht gelingt ihnen ja noch der größere Durchbruch im Alternative Bereich. Parallel zu "II" ist mit "Killer couple strikes again" noch eine EP erschienen, über deren Sinn man eher geteilter Meinung sein kann. Wenn dieses Album dazu dient, in den "Mainstream" Medien Gehör zu finden, ist dies sicherlich ein durchaus gut gemeinter Ansatz, da man hier ausschließlich fünf kürzere, für einen breiteren musikalischen Geschmack etwas zugänglichere Stücke zusammen packte. Dies heißt aber keineswegs, dass es sich nur um straighte Nummern handelt, vielmehr sind auch hier leicht versponnene, teils sogar jazz-rockige Einflüsse zu finden. Vier der fünf Titel sind nur hier erhältlich, aber auch wenn es sich durchaus um ordentliches bis gutes Material handelt, so müssen sie doch im Vergleich zum Material von "II" zurückstecken. So wird hier letztendlich wohl eher der Sammler zugreifen, der jedoch für einen fairen Preis immerhin knapp 25 Minuten Musik bekommt.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2006