CD Kritik Progressive Newsletter Nr.54 (01/2006)

Djam Karet - Recollection harvest
(71:31, Cuneiform, 2005)

Mit "Recollection harvest" liegt das inzwischen 16.(!) Studioalbum der seit 1984 bestehenden Instrumentalcombo Djam Karet vor. Über Abwechslung und stilistische Wechsel braucht man sich bei der Band aus Los Angeles keineswegs zu beklagen, auch wenn trotz aller Stilauslotungen über all die Jahre von Progressive Rock, Space Rock bis hin zu Ambient und elektronischer Musik, vor allem die heulenden Gitarrenklänge, hypnotischen Rhythmen und Atmosphären als integrale Markenzeichen der Band geblieben sind. Mit den letzten Alben tauchte der amerikanische Fünfer dann immer tiefer in die Retrokiste ein, und so ist "Recollection harvest" eine konsequente Fortführung der Vorgängeralben "A night for Baku" (2003) und "New dark age" (2001). Doch trotz des typischen Djam Karet Sounds, der vor allem auf schwirrende, floydige Gitarrenlinien, groovige Basslinien und schwebende, elektronisch durchtränkte Sounds setzt, und diversen Elementen, die man bereits aus der langen Historie der Band kennt, ist das aktuelle Album wiederum in Teilen anders. Zuerst einmal setzt die Band vermehrt auf Keyboards und holt dabei auch angetagte Klänge von Orgel und Mellotron aus der Mottenkiste hervor. Weit weniger auf die beiden Gitarristen fixiert, fließen hin und wieder einige wohl dosierte Keyboardsoli ein, die in der rein instrumentalen Musik als angenehmer Gegenpol dienen. Zusätzlich wurden akustische Gitarrenparts in den Sound integriert, was für weitere interessante klangliche Aspekte sorgt. Über dem gesamten Album liegt weiterhin eine mystische, sehr 70er Jahre inspirierte Atmosphäre, ohne dass Djam Karet nun völlig rückwärts gerichtet agieren. Sind die ersten fünf Tracks des Albums das Material, mit dem sich die Band sicherlich am weitesten dem Retro Prog der 70er nähert und somit sicherlich neue Hörer begeistern kann, geht es in der zweiten Hälfte des Albums zum Teil in mehr introvertierte, weitaus elektronischere, aber auch weltmusikalische Gefilde. Sofern man die verschiedenen Stilphasen der Band nicht kennt, meint man zu Beginn, fast eine andere Formation zu hören. Doch die langgezogenen, soundscapeartigen Gitarrenakkorde, die Einflüsse aus Orient und von der iberischen Halbinsel, sowie sanfte Mellotron- und Synthieteppiche, machen auch den zweiten Teil des Albums zu einem wunderbaren Hörerlebnis. Zwar sind die Songs wesentlich kürzer gehalten, überzeugen jedoch inhaltlich durch unterschiedlichste Atmosphären. "Recollection harvest" vereint damit sehr harmonisch zwei Aspekte von Djam Karet auf einem Album und macht dieses Werk auch als Einstieg in die eigenständige Klangwelt der Kalifornier durchaus empfehlenswert.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2006