CD Kritik Progressive Newsletter Nr.54 (01/2006)

Riverside - Second life syndrome
(63:34, InsideOut, 2005)

Mit ihrem Debüt "Out of myself" sorgten Riverside für eine der Überraschungen im Jahr 2004. Auch an der Leserschaft des Progressive Newsletters ging dieses Album nicht unbeeindruckt vorbei, weswegen das Erstlingswerk der Polen in den Jahrescharts völlig zu Recht einen hervorragenden fünften Platz belegte, die Band zudem als eine der Überraschungen des Jahres gefeiert wurde. Auch mit ihrem zweiten Album "Second life syndrome" mauserten sie sich sogleich zu den Lieblingen der Kritiker, und der aktuelle Longplayer wurde gleich mal zum Album der Ausgabe im Eclipsed und dem holländischen Magazin Aardschock gekürt. Nach dieser Vorlage fällt es natürlich schwer, sich nicht in die Lobesarien der anderen mit einzureihen, denn zweifelsohne ist den Polen auch dieses mal wieder ein überzeugendes Album gelungen, welches definitiv allen gefallen wird, die auch vom Debüt begeistert waren. Die Grundzutaten aus atmosphärischem, mitunter an Porcupine Tree erinnerndem Grundgerüst, teils floydigen, teils neo-proggigen Stimmungen, jedoch in der Spielart mit wesentlich mit mehr Härte und Heavyness ausgestattet, wurden auf "Second life syndrome" nur leicht modifiziert. So fallen am ehesten die eine Spur aggressiveren Passagen auf, setzt vor allem Sänger Mariusz Duda sein Organ teils in fast schon schreiender Art ein, wobei diese Extreme nur ein gelegentliches Ausbrechen aus der bisherigen Erfolgsformel darstellen. Auch wenn Riverside wesentlich härter und stilistisch moderner als "normale" Neo Prog Band agieren, so gibt es dennoch eine klangliche Verbindung zu ihren Kollegen und eigenartigerweise erinnern Riverside vom atmosphärischen Ansatz und Sound hin und wieder frappierend an andere polnische Bands wie z.B. Collage oder Satellite, die jedoch musikalisch ganz anders gelagert sind. Der Vergleich mag auch daran liegen, dass Gitarrist Piotr Grudzinski grundsätzlich mehr die schwebenden, elegischen Töne bevorzugt, die harten Riffs doch eher als Mittel zum Zweck, denn als prägnantestes Stil- und Spielmittel von ihm eingesetzt werden. Wie wohl durchdachte Härte, sinfonische Melodik, spannende Rhythmikgeflechte und rockige, düstere Atmosphäre zu einem großen Ganzen verschmelzen, ist Riverside besonders beeindruckend mit dem über 15-minütigen Titelsong gelungen. Doch auch die kürzeren Tracks wechseln geschickt zwischen den beiden spielerischen Extremen der Band. So begeistert "Second life syndrome" vor allem durch seinen geschlossenen, in sich stimmigen Gesamteindruck, und am Ende dieses Jahres werden sich die Polen sicherlich wieder in den vorderen Regionen der Jahrescharts wiederfinden.

Kristian Selm



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